Die Ausgangslage: SP-Bundesrat Alain Berset hat nach zwölf Jahren in der Landesregierung genug – und tritt bei den Gesamterneuerungswahlen im Dezember nicht mehr an. Dies hat der aktuelle Bundespräsident im Juni angekündigt. Der Freiburger gilt als eine der einflussreichsten Figuren im Bundesrat. Als Gesundheitsminister genoss er insbesondere während der Coronapandemie viel Rückhalt in der Bevölkerung. Jüngst machte er jedoch durch verschiedene Affären von sich reden.
Die Chance: Für eine Partei, die einen Sitz im Bundesrat neu besetzen kann, bedeutet dies immer zusätzliche Aufmerksamkeit. Denn die Medien berichten laufend über das Kandidatenkarussell. Die verschiedenen Bundesratskandidatinnen und -kandidaten kommen in Interviews zu Wort und können politische Inhalte der eigenen Partei transportieren. Im politischen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger ist diese zusätzliche Medienpräsenz Gold wert.
Das Kandidatenkarussell für die Berset-Nachfolge
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Bild 1 von 12. Evi Allemann. Die Berner Regierungsrätin Evi Allemann (Jahrgang 1978) kandidiert für den Bundesrat. Von 2003 bis 2018 war die Juristin im Nationalrat. Bildquelle: KEYSTONE/Alessandro Della Valle.
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Bild 2 von 12. Allemann hatte bereits letztes Jahr für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga kandidert. Sie unterlag damals in der internen Ausmarchung Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider. Bildquelle: Keystone/Peter Klaunzer.
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Bild 3 von 12. Roger Nordmann. Der Waadtländer SP-Nationalrat Roger Nordmann (Jahrgang 1973) will in die Landesregierung, wie er anfangs Oktober an einer Medienkonferenz bekannt gab. Bildquelle: KEYSTONE/Anthony Anex.
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Bild 4 von 12. Nordmann sitzt seit 2004 in der Grossen Kammer unter der Bundeshauskuppel. Viermal wurde er wiedergewählt. Im Nationalrat ist er Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie. Von 2015 bis 2023 war er Fraktionschef. Bildquelle: KEYSTONE/Gaetan Bally.
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Bild 5 von 12. Jon Pult. Der Bündner Nationalrat Jon Pult (Jahrgang 1984) kandidiert offiziell für den Bundesrat. Der schweizerisch-italienische Doppelbürger wurde 2019 in den Nationalrat gewählt. Bildquelle: Keystone / Alessandro Della Valle.
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Bild 6 von 12. Pult gilt als eines der grössten Talente der SP und als guter Rhetoriker. Schon ein Jahr nach seinem Einzug ins Parlament machte ihn die SP zum Vizepräsidenten. Bildquelle: Keystone / PABLO GIANINAZZI.
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Bild 7 von 12. Beat Jans. Der frühere Nationalrat und heutige Basler Regierungspräsident Beat Jans (Jahrgang 1964) will Bundesrat werden, wie er am 22. September offiziell bekannt gab. Bildquelle: KEYSTONE/Peter Schneider.
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Bild 8 von 12. «Ich würde das Amt gerne und mit Überzeugung ausüben», sagte Jans an der Konferenz. Er hätte auch aus regionalpolitischen Überlegungen gute Chancen. Der Kanton Basel-Stadt war schon lange nicht mehr im Bundesrat vertreten. Bildquelle: KEYSTONE / Peter Schneider.
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Bild 9 von 12. Matthias Aebischer. Der Berner Nationalrat Matthias Aebischer (Jahrgang 1967) will die Nachfolge von Alain Berset antreten. Bildquelle: Keystone / ALESSANDRO DELLA VALLE.
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Bild 10 von 12. Vor seiner Zeit im Nationalrat war Aebischer unter anderem Moderator verschiedener Sendungen beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF und erlangte dadurch in der Deutschschweiz grosse Bekanntheit. Bildquelle: SRF.
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Bild 11 von 12. Daniel Jositsch. Der Zürcher Ständerat (Jahrgang 1965) kandidiert offiziell für den Bundesrat. Nach dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga im vergangenen Jahr hatte Daniel Jositsch bereits kandidiert, obwohl die SP ein reines Frauenticket beschlossen hatte. Bildquelle: KEYSTONE/ANTHONY ANEX.
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Bild 12 von 12. Bei der Wahl durch die Bundesversammlung erhielt er in den ersten Wahlgängen zahlreiche Stimmen. Schliesslich setzte sich jedoch Elisabeth Baume-Schneider durch. Für ihn als Bundesrat sprechen seine Erfahrung in Bundesbern und seine urbane Herkunft. Jositsch gilt als Vertreter des rechten Flügels der SP. Bildquelle: KEYSTONE/ALESSANDRO DELLA VALLE.
Das historische Beispiel: Dass ein Rücktritt eines Bundesrats in einem Wahljahr viel wert sein kann, zeigte sich 1995. Damals kündigte SP-Finanzminister Otto Stich überraschend seinen Rücktritt an. Im Oktober 1995 gewannen die Sozialdemokraten dann mehr als zwei Prozentpunkte Wähleranteil hinzu und wurden zur stärksten Partei im Nationalrat. Gemäss Politbeobachterinnen und -beobachtern half die Medienpräsenz rund um die SP-Bundesratskandidaten der Partei.
Das Gegenbeispiel: Dass ein Rückzug einer eigenen Bundesrätin im Wahljahr den Wahlerfolg aber nicht garantiert, zeigte das Jahr 2011. Damals verkündete SP-Aussenministerin Micheline Calmy-Rey ihren Rücktritt einige Monate vor den nationalen Wahlen. Am Wahlsonntag verloren die Sozialdemokratinnen und -demokraten aber Wähleranteile und Nationalratssitze. Dies hing vermutlich nicht mit dem Abgang der SP-Bundesrätin zusammen – aber einen Mobilisierungsschub löste dieser gewiss auch nicht aus.
Der Experte: Politologe Louis Perron zweifelt daran, dass die SP in diesem Jahr stark von der Bundesratsvakanz profitieren kann. Unter dem Co-Präsidium von Mattea Meyer und Cédric Wermuth habe sich die Partei klar links positioniert. Für die Bundesratswahl müssten aber eher moderate Kandidatinnen und Kandidaten präsentiert werden, die auch für die Bürgerlichen wählbar sind. Deshalb sei kein grosser Effekt auf das Wahlresultat zu erwarten.
Das Fazit: Die Vakanz im Bundesrat im Wahljahr ist für eine Partei grundsätzlich eine Chance. Es müssen aber einige Faktoren zusammenkommen, damit sich diese Situation auch in zusätzliche Stimmen von Wählerinnen und Wählern ummünzen lassen. In diesem Jahr spricht die Ausgangslage eher dagegen. Abgerechnet wird am Wahltag, also am 22. Oktober 2023.