Der oberste Diplomat der Schweiz war in jungen Jahren einer der schnellsten Autorennfahrer der Schweiz. Ein automobiler Vergleich liegt also nahe auf die Frage, wie er die geplanten Verhandlungen mit Brüssel beurteilt. Alexandre Fasel spricht von einem 24-Stunden-Rennen in Le Mans, das mit dem Tempo eines Formel-1-Boliden absolviert werde.
Interessanterweise sitzt Chefpilot Fasel beim bevorstehenden «diplomatischen Grand Prix» nicht selber am Steuer: Sein Stellvertreter wird die Verhandlungen mit der EU führen, weil dieser bereits tief in der Materie drin sei.
Fasel selbst wird die Verhandlungen mit der EU und die innenpolitischen Begleitverhandlungen zum Beispiel zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften «koordinieren». Damit habe er überhaupt kein Problem, betont er. Er greife ein, wenn die Situation blockiert sei – wenn «die Unterhändler Probleme nicht zu Faden schlagen» könnten.
Das Misstrauen ist jetzt weitestgehend verflogen.
Die Verhandlungen beginnen frühestens im nächsten Frühling. Vorher muss der Bundesrat das Verhandlungsmandat definitiv verabschieden. Fasel sieht inzwischen gute Chancen für einen Verhandlungserfolg.
Beim Amtsantritt vor drei Monaten habe hingegen noch Misstrauen dominiert in Brüssel, sagt er: «Das Misstrauen gründete darin, dass die Kommission sagte, nicht sicher zu sein, ob die Schweiz tatsächlich diese Abkommen wolle.» Dieses Misstrauen sei jetzt weitestgehend verflogen.
Inzwischen haben Bern und Brüssel die Vorverhandlungen, die «Sondierungen», abgeschlossen. Es geht zum Beispiel um die Rolle des EU-Gerichtshofs, um die Übernahme von künftigem EU-Recht und um den Schutz der hohen Schweizer Löhne.
Spesenstreit als Beispiel
Hier bleiben Fragen etwa rund um Spesen ungelöst. In der EU müssen Firmen ihren Angestellten bei Einsätzen im Ausland fürs Übernachten oder fürs Essen bloss Ansätze des Herkunftslandes bezahlen. Firmen aus Tieflohnländern können sich damit in der Schweiz auf dem Buckel der Angestellten Vorteile verschaffen.
Die EU-intern getroffene Regelung entspricht nicht dem EU-rechtlichen Prinzip des gleichen Lohnes für gleiche Arbeit am gleichen Ort.
Im Streitpunkt Spesen gibt Fasel etwas Einblick in die Verhandlungsstrategie: Bern stellt dabei die Auslegung der EU infrage. Die von der EU intern getroffene Regelung entspreche nämlich nicht dem EU-rechtlichen Prinzip des gleichen Lohnes für gleiche Arbeit am gleichen Ort, so Fasel. Dies soll zum Ausdruck gebracht werden.
Ein weiterer Verhandlungspunkt ist das Geld: Die Schweiz soll künftig verbindlich und regelmässig Geld an ärmere EU-Staaten zahlen. Die EU könnte deutlich höhere Beträge verlangen, als die Schweiz bisher «offiziell freiwillig» bezahlt hat. Wie viel Geld liegt drin? Diese Diskussion habe noch nicht stattgefunden, sagt Fasel dazu.
Die Einigung im Inland
Ebenso vage bleibt er rund um die Verhandlungen zwischen den Schweizer Gewerkschaften und Arbeitgebern: Sie sollen sich – so die Idee – auf Massnahmen im Inland einigen und so Zugeständnisse an die EU beim Lohnschutz abfedern. Zur Diskussion stehen zum Beispiel tiefere Hürden, um Gesamtarbeitsverträge für eine ganze Branche verbindlich zu machen.
Doch eine Einigung ist hier offenbar nicht in Sicht: «Zwischen den Sozialpartnern gibt es noch gewisse Spannungen und Uneinigkeiten. Es besteht gewiss noch ein Klärungs- und Diskussionsbedarf», sagte der Schweizer Chefdiplomat bei seinem ersten Auftritt vor den Medien nach etwas über 100 Tagen im Amt. Er beherrscht sie, die Kunst: Bei Bedarf viel zu reden und wenig Konkretes zu sagen.