Es war eine happige Nachricht für die Belegschaft des Atomkraftwerks Mühleberg vor fünf Jahren. Ende Oktober 2013 teilte Suzanne Thoma, Konzernchefin der Kraftwerksbetreiberin BKW, den versammelten Mitarbeitern mit, dass das Kraftwerk 2019 vom Netz gehen und dann stillgelegt werden soll.
Für viele kam der Entscheid überraschend, hatte man doch wenige Jahre zuvor noch darüber diskutiert, neue AKW zu bauen.
Ende eines Kindheitstraums
«Ganz am Anfang, als wir das vernommen haben, waren wir enttäuscht», sagt René Kaeser, Schichtleiter im Kontrollraum des AKW Mühleberg. Sofort seien viele Fragen gekommen, wie es mit den Jobs der Belegschaft weitergehen soll. Einige seiner Mitarbeiter hätten Existenzängste gehabt, die er als Schichtleiter habe auffangen müssen. Seine eigenen Fragen habe er zunächst in den Hintergrund gestellt.
Auch Reaktoroperateur Andres Izquierdo sagt, es mache ihn traurig. In einem Atomkraftwerk zu arbeiten sei immer sein Kindheitstraum gewesen. Und jetzt erlebt er, wie eines runtergefahren wird.
Das ist ein interessanter Job, denn das hat in der Schweiz noch nie jemand gemacht.
Immerhin könne er noch ein Jahr in einem laufenden AKW arbeiten. Und dank Weiterbildungen hat er auch weiterhin einen Job in Mühleberg – bei der Stilllegung. Izquierdo freut sich auf die Herausforderung: «Das ist ein interessanter Job, denn das hat in der Schweiz noch nie jemand gemacht.»
Euphorie und altes Eisen
Wehmütig blickt auch Hans-Rudolf Lutz dem Abschalttermin entgegen. Lutz war 1972 der erste Leiter des Kraftwerks Mühleberg und glaubt nach wie vor an die Kernkraft.
Die Anfangszeit sei geprägt gewesen von Pioniergeist und Atom-Euphorie, sagt Lutz. Zum Stilllegungsentscheid meint er: «Ich finde es schade, weil ich weiss, was da alles für Geist reingesteckt worden ist. Zu unserer Zeit, aber auch über die ganze Zeit hinweg. Das ist jetzt alles altes Eisen.»
Der Kampf geht weiter
Gefreut über den Stilllegungsentscheid hat sich Jürg Joss, Atomkraft-Gegner der ersten Stunde. Der Kampf gegen Mühleberg sei Teil seines Lebens gewesen.
«Ich habe mehr Zeit damit verbracht als mit Hobbies», so Joss. Dennoch sei Mühleberg für ihn noch nicht vom Tisch. «Die Sache ist nicht erledigt, so lange sich noch Brennelemente im Reaktor befinden», sagt Joss. Laut der Betreiberin BKW dürfte dies bis 2024 der Fall sein.
Das AKW als Identitätsstifter
Dass der Stilllegungsentscheid mit Emotionen verbunden ist, weiss auch BKW-Konzernchefin Suzanne Thoma.
So ein Werk freiwillig stillzulegen macht man nicht ohne intensive Auseinandersetzung.
Mühleberg sei für die BKW identitätsstiftend gewesen. «So ein Werk freiwillig stillzulegen macht man nicht ohne sehr detaillierte Analyse und intensive Auseinandersetzung», sagt sie.
Von den rund 300 Mitarbeiter können laut BKW alle im AKW weiterarbeiten. So sagt heute denn auch Schichtleiter Kaeser: «Mittlerweile sind die Gefühle positiv.»