Zum Inhalt springen
Audio
Zunehmende Attacken auf Mitglieder von Stadtparlamenten
Aus SRF 4 News aktuell vom 27.08.2024. Bild: Keystone/Ennio Leanza
abspielen. Laufzeit 44 Sekunden.

Drohungen, Ausraster, Gewalt Der alltägliche Hass auf Politiker in Schweizer Städten

Eine neue Studie zeigt, wie Politikerinnen und Politiker auch auf Gemeindeebene angegriffen werden – und das nicht nur verbal.

Die Schweiz hat so einige Eigenheiten. Eine davon: Beim Flanieren durch die Berner Gassen läuft man gerne einmal einer Bundesrätin über den Weg. Und im Sommer steht auch der «Stapi» mitten im Quartier für eine Glace Schlange.  

So weit, so idyllisch. Und leider auch klischiert. So rüttelten etwa die Corona-Massnahmengegner vor bald drei Jahren nicht nur an den Absperrungen zum Bundeshaus, sondern auch am Schweizer Selbstverständnis.

Video
Archiv: Corona-Demo auf dem Bundesplatz eskaliert
Aus Tagesschau vom 17.09.2021.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 38 Sekunden.

Zur Wahrheit gehört heute auch: Menschen, die sich in die Politik wagen, brauchen ein dickes Fell – und das nicht nur auf nationaler Ebene. Um den Anfeindungen entgegenzutreten, hat etwa der Kanton Zürich eine Plattform lanciert, auf der Politikerinnen und Politiker Hassnachrichten, Beleidigungen und Drohungen melden können.

Hass und Gewalt in der Lokalpolitik

Forschende des Zentrums für Demokratie Aarau haben das Ausmass der Aggressionen nun auch auf Gemeindeebene ausgewertet. Nach der Befragung von gut 1000 Parlamentsmitgliedern kommen sie zum Schluss: Auch in den Städten sehen sich Politikerinnen und Politiker zunehmend Anfeindungen ausgesetzt.

Einige Beispiele aus jüngster Zeit

Box aufklappen Box zuklappen
  • 09.09.2023: In Buchs bei Aarau wird die Fassade des Hauses eines Gemeinderats beschmiert und der Briefkasten gesprengt. Auslöser war eine mögliche Steuererhöhung. (Quelle)
  • 07.03.2023: Die Gemeindepräsidentin von Schlatt (TG) tritt nach einem anonymen Drohbrief zurück. (Quelle)
  • 13.09.2022: Die Zürcher Kantonsrätin Sarah Akanji tritt nicht mehr an, wegen sexistischer und rassistischer Beleidigungen. (Quelle)
  • 12.06.2021: Werner Scherer, Gemeindeammann von Killwangen (AG) tritt «wegen Drohungen» zurück. (Quelle)

Die Auswertung zeigt: Grundsätzlich sind die Parlamentarierinnen und Parlamentarier zwar zufrieden mit ihrem Mandat. Insbesondere dann, wenn sie sich als einflussreich wahrnehmen. «Über ein Drittel der Befragten gab jedoch an, in den letzten zwölf Monaten verbale Gewalt erfahren zu haben», erklärt Stefan Kalberer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut.

Rund ein Drittel wurde im betreffenden Zeitraum verbal angefeindet – sei es im Netz oder auf der Strasse. 6.4 Prozent der Befragten haben Angriffe auf ihr Eigentum erlebt, drei Prozent wurden physisch angegangen.

Frauen und politisch Rechte stärker betroffen

Frauen sind laut der Umfrage öfter verbaler Gewalt und Sachbeschädigungen ausgesetzt. Zudem sind demnach Parlamentsmitglieder, die sich auf der rechten Seite des politischen Spektrums verorten, stärker von physischer Gewalt betroffen.

Gehässige Drohungen: Fedpol ergreift Massnahmen

Box aufklappen Box zuklappen

Tätliche Attacken auf Schweizer Politikerinnen und Politiker sind selten, kamen aber in der Vergangenheit hin und wieder vor. Die Zahl der Drohungen war zuletzt rückläufig. Dennoch registrierte das Bundesamt für Polizei (Fedpol) im letzten Jahr im Schnitt fast täglich eine Meldung wegen einer mutmasslichen Drohung.

So gingen beim Fedpol im vergangenen Jahr 290 Drohungsmeldungen ein, 238 weniger als noch 2022. Zur Zeit der Coronapandemie, als sich der Groll gegenüber Politikerinnen und Politikern besonders manifestierte, waren es 1215 Meldungen gewesen.

Doch die Inhalte der Drohungen waren zuletzt besorgniserregend und der Ton sei besonders gehässig, schrieb das Fedpol im Jahresbericht 2023. In 62 Fällen stufte die Behörde die Drohungen als so gravierend ein, dass sie Massnahmen ergriff. Dazu zählten Ermahnung von Gefährdern, Grenzziehungsbriefe oder Strafanzeigen. (sda)

Die erlebte Gewalt beeinflusst das Verhalten der Parlamentsmitglieder. Viele Befragte sagen, sie hätten ihren Gebrauch der sozialen Medien und ihre Kommunikation verändert. Andere hätten die negativen Erlebnisse gar dazu bewogen, ihr politisches Mandat aufzugeben. Dabei geben weibliche Parlamentsmitglieder häufiger als ihre männlichen Kollegen an, dass sie die erfahrene Gewalt zum Rücktritt bewege.

Konsequenzen für die Demokratie

Die Anfeindungen auf lokaler Politikebene sind für die Forschenden ein besorgniserregender Befund. «Betrachtet man die Gemeinden als ‹Schule der Demokratie›, ist dies eine schlechte Nachricht», sagt Daniel Kübler, Direktionsmitglied des Forschungsinstituts. Dabei sei die Kleinräumigkeit einer Gemeinde eigentlich ideal, um Vorurteile gegenüber politischen Gegnern abzubauen.

Der perfekte Nährboden für eine friedliche, demokratische Debattenkultur kann sich jedoch in sein Gegenteil verwandeln: Er wird zur Arena für Hass und Hetze, die nicht mehr nur im virtuellen Raum stattfindet, sondern von Angesicht zu Angesicht.

Video
Beleidigungen, Drohungen und Gewalt – So viel Hass kriegen Politikerinnen und Politiker ab
Aus Impact vom 15.02.2023.
abspielen. Laufzeit 13 Minuten 6 Sekunden.

SRF 4 News, 27.08.2024, 19 Uhr ; 

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel