Es ist erst ein Vorentscheid, aber er ist ganz im Sinne von Deutschland: Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats will 25 eingemottete Kampfpanzer der Schweizer Armee an die deutsche Bundesrepublik abtreten. Die Schweizer Fahrzeuge sollen dort und in anderen europäischen Staaten auch Panzer ersetzen, die an die Ukraine gingen.
Der deutsche Botschafter in der Schweiz, Michael Flügger, setzt sich stark für diesen Deal ein; der deutsche Druck in der Waffenfrage ist massiv. Die Schweiz aber blockiert wegen der Neutralität. Gegenüber der Samstagsrundschau von Radio SRF stellt Flügger klar: «Wir erwarten von der Schweiz, dass sie in bestimmten Stellen über ihren neutralistischen Schatten springt.»
Grundsatzentscheid gefordert
Klar ist: Die Frage, ob die Schweiz Kampfpanzer ausführen wird, ist noch nicht abschliessend beantwortet. Noch muss das Parlament darüber entscheiden. Und sollten die beiden Kammern tatsächlich eine Änderung des Kriegsmaterialgesetzes beschliessen, wäre ein Referendum möglich.
Diesen politischen Prozess respektiert Flügger: «Uns ist klar, dass dies lange dauern kann. Und dass dies der Ukraine jetzt nichts nützt, ebenso.» Doch, so Flügger, es gehe um einen Grundsatzentscheid: «Wenn es nicht zu dieser gesetzlichen Änderung kommt, heisst das in Zukunft für alle Nato-Partner, dass man sich nicht auf die Schweiz verlassen kann.»
Wenn es nicht zu dieser gesetzlichen Änderung kommt, heisst das in Zukunft für alle Nato-Partner, dass man sich nicht auf die Schweiz verlassen kann.
Was, wenn Russland beispielsweise in einigen Jahren entscheidet, das Baltikum anzugreifen? Michael Flügger führt aus: «Wir wissen, dass die Russen nicht einfach die Ukrainer unterwerfen wollen. Sie greifen die europäische Sicherheitsordnung an, die internationale Ordnung und das humanitäre Recht.» Das seien alles Dinge, die auch für die Schweiz wichtig seien.
Zankapfel Forschungszusammenarbeit
Hat Deutschland die Geduld mit der Schweizer Neutralitätspolitik verloren? Flügger beschwichtigt: «Es geht hier nicht um Deutschland, sondern um die Nato.» Man akzeptiere natürlich, dass es die Schweiz unterlässt, Waffen direkt in die Ukraine zu schicken. Und doch sagt Flügger: «Es stellt sich die Frage, ob die strenge und altmodische Auslegung der Haager Konventionen völkerrechtlich nicht überholt ist.» Die Haager Konventionen regeln das Neutralitätsrecht.
Auch in der Europapolitik hat sich in der Schweiz zuletzt etwas getan. Es soll vorwärtsgehen, fordern die Kantone – und zwar einstimmig. Auch der Bundesrat hat diese Woche Verbindlichkeit signalisiert. Wie schätzt der deutsche Botschafter diesen Entscheid der Schweizer Landesregierung ein? «Das ist ein sehr grosser Schritt – und er geht in die richtige Richtung.» Man habe jetzt über ein Jahr lang sondiert, ernsthaft und untermauert durch Einschätzungen von Expertinnen und Experten.
Unsere deutsche Vorstellung ist die volle Assoziierung der Schweiz bei Horizon.
Ob jetzt die EU auch der Schweiz einen Schritt entgegenkommt, etwa in der Forschungszusammenarbeit, bei welcher man derzeit ausgeschlossen ist? Flügger sagt dazu: «Unsere deutsche Vorstellung ist die volle Assoziierung der Schweiz bei Horizon. Dies hat nichts mit dem Zugang zum Binnenmarkt zu tun.»
Doch der deutsche Diplomat weiss auch, dass man in der EU-Kommission mit dieser Ansicht in der Minderheit ist: Neben Deutschland sind nur Österreich, die Niederlande und teilweise Italien derselben Meinung.