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Eidgenössische Finanzkontrolle IT-Risiken im VBS – der Bundesrat soll Aufsicht einsetzen

Die Finanzkontrolle empfiehlt dem Bundesrat einen Aufsichtsausschuss über das VBS. Dieser will aber kein neues Gremium.

Die Finanzkontrolle will einen Aufsichtsausschuss: Recherchen von Radio SRF zeigen, die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK fordert vom Bundesrat eine zusätzliche Aufsicht über das VBS. Auf Anfrage bestätigt die Finanzkontrolle, dass sie im Jahr 2023 und 2024 dem Bundesrat schriftlich empfohlen hat, einen «Aufsichtsausschuss über das VBS beziehungsweise dort angesiedelter Schlüsselthemen» einzusetzen.

Ein Soldat hält ein Funkgerät in Händen und sendet einen Funkspruch .
Legende: Der Lieferant für die neuen taktischen Funkgeräte der Schweizer Armee kommt aus Israel. Unter anderem wegen des Gaza-Krieges hat er Lieferschwierigkeiten. Keystone / Christian Beutler

Damit begründet die Finanzkontrolle ihre Empfehlung: «Das VBS verfügt über die grösste Anzahl von IKT-Schlüsselprojekten in der Bundesverwaltung und diese befinden sich teilweise in einer kritischen Phase.» IKT-Projekte sind Informations- und Kommunikationstechnologien. Die Finanzkontrolle ist das oberste Finanzaufsichtsorgan des Bundes. Sie gibt mit der Empfehlung dem Bundesrat zu verstehen, er müsse als Gesamtgremium Verantwortung für die Projekte im VBS übernehmen. 

EFK empfiehlt Ausschüsse zu IKT und Cybersicherheit

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Eine Lehre aus dem Insieme-Informatik-Debakel von 2012 (Verlust von 105 Millionen Franken) lautete: Der Bundesrat müsse sich regelmässig durch die Eidgenössische Finanzkontrolle EFK informieren lassen über wichtige Umsetzungspendenzen. Darum prüft der Bundesrat jährlich die Einsetzung eines Aufsichtsausschusses. Im Vorfeld gelangt die EFK jeweils mittels eines Briefes an den Bundesrat.

Im Brief an den Bundesrat im Jahr 2024 stand die Cybersicherheit im Fokus. Die EFK begründet dies so: «Einerseits aufgrund der Bedrohungslage und andererseits aufgrund organisatorischer Hausopferungen.» Damit meint die EFK den Umstand, dass sich seit Anfang 2024 zentrale Bundesstelle im Bereich Cybersicherheit im Verteidigungsdepartement befinden. Dieser Entscheid des Bundesrates war im Vorfeld umstritten.

Das Verteidigungsdepartement schreibt zur EFK-Empfehlung: «Der Bundesrat hat entschieden (wie alle Jahre zuvor), dass kein Bundesrats-Aufsichtsausschuss eingesetzt werden soll.»

So teuer sind die grossen VBS-Informatik-Projekte:  Der Bund kennt im Moment 22 DTI-Schlüsselprojekte. Das sind die strategisch wichtigen, komplexen und teuren Projekte im Bereich der digitalen Transformation und IKT in der Bundesverwaltung. Fast die Hälfte der Schlüsselprojekte – insgesamt neun – führt das Verteidigungsdepartement. Mehrheitlich sind es Projekte der Schweizer Armee. Mithilfe des Öffentlichkeitsgesetzes konnte SRF News die halbjährlichen Statusberichte einsehen. Gemäss diesen Berichten haben die VBS-Projekte insgesamt ein Finanzvolumen von 4.95 Milliarden Franken.

Das sind die DTI-Schlüsselprojekte im VBS

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Halbjährlich berichtet die Bundesverwaltung über ihre Grossprojekte im Bereich Digitalisierung und Informationstechnologie. Diese Projekte nennen sich DTI-Schlüsselprojekte.

SRF News konnte mithilfe des Öffentlichkeitsgesetzes die letzten Halbjahresberichte der VBS-DTI-Projekte vom 30. Juni 2024 einsehen.

Die Berichte beruhen auf einer Selbsteinschätzung der jeweiligen Verwaltungseinheit und des Generalsekretariates.

Mit einem Notensystem (1-6) werden die Toprisiken des jeweiligen Projektes bewertet. SRF verzichtet hier auf die Nennung des Gesamtwertes, erwähnt aber, ob dieser im Vergleich zum vorletzten Bericht ansteigend oder sinkend ist.

Die Gesamtkosten aller DTI-Schlüsselprojekte im VBS betragen 4.95 Milliarden Franken, inklusive Personalkosten.

SDNV+ – Sichereres Datenverbundnetz plus: Kosten 133.8 Millionen Franken. Ein krisensicheres Kommunikationssystem im Fall einer Katastrophe oder Notlage zwischen Kantonen und Bund. Risiken: Verzögerung und Projektressourcen. Risikowert steigend.

WEP 2023 – Werterhalt Polycom 2030: Kosten 247.5 Millionen Franken. Das Sicherheitsfunknetz Polycom soll weiter betrieben werden können. Risiken: Parallelbetrieb des alten und neuen Systems und Ausstieg des externen Systemintegrators. Risikowert sinkend.

EBUV – Entflechtung Büroautomation/UCC Verteidigung: Kosten 54.1 Millionen Franken. Die Büroinformatik der Gruppe Verteidigung wird an das Bundesamt für Informatik übergeben. Risiken: Verzögerung, Spezialanforderungen und mangelnde Governance. Risikowert stark sinkend.

Ruver: Kosten 3.4 Millionen Franken. Entflechtung der militärisch einsatzkritischen von nicht-einsatzkritischen IT-Leistungen. Das Programm hat seine Ziele erreicht und wurde inzwischen beendet. Ein Nachfolgeprojekt (iTask) ist bereits aktiv.

NDP – neue Digitalisierungsplattform: Kosten 1.23 Milliarden Franken. Eine einsatzkritische IKT-Infrastruktur für die Armee. Der Sensor-, Nachrichten-, Führungs- und Wirkungsverbund soll digitalisiert werden. Risiken: Verzögerungen in der Lieferkette, nicht zeitgerechte und vollständige Einführung des neuen Luftraumüberwachungssystems (SRF News hat hier berichtet) und kein Rund-um-die Uhr-Betrieb in allen Phasen. Risikowert hoch (kein Vergleichswert).

Führungsnetz Schweiz: Kosten 1 Milliarden Franken. Ein sicheres Kommunikationsnetz auf Basis von Richtfunk und Glasfaser für die Armee und zivilen Organisationen. Risiken: Veraltetes Netzmanagement-Tool, Mangelsituation bei der benötigten Technologie und bei den Know-how-Trägern. Risikowert gleichbleibend.

Telekommunikation der Armee: Kosten 1.9 Milliarden Franken. Neue mobile und teilmobile Kommunikationssysteme (zum Beispiel Funk) und Überführung auf eine einheitliche Plattform. Risiken: Israelischer Lieferant hat Lieferschwierigkeiten, Qualitätsprobleme beim Einbau. Risikowert steigend.

ERP Systeme V/ar: Kosten 315 Millionen Franken. Die Betriebssupport-Software (zum Beispiel für Logistik) von SAP wird auf die neuste Generation umgestellt. Die Armee setzt einen Teil des Projektes nicht vollständig um (SRF News hat hier berichtet). Das Toprisiko ist geheim und wurde im Bericht geschwärzt. Risikowert: leicht steigend.

NEPRO – Neue Produktionssysteme swisstopo: Kosten 65.6 Millionen Franken. Die Kernsysteme des Bundesamtes für Landestopografie swisstopo zur Geodaten-Produktion (Kartenmaterial) muss ersetzt werden. Risiken: Personalressourcen und lange Programmdauer. Risikowert steigend.

Das hat der Bundesrat beschlossen: Der Bundesrat kam der Aufforderung der Finanzkontrolle teilweise nach. Die Bundeskanzlei schreibt auf Anfrage: Der Bundesrat habe im Juni 2023 entschieden, ein bereits bestehender Ausschuss solle die IKT des VBS zukünftig begleiten. Beim Ausschuss handelt es sich um den Bundesratsausschuss Digitalisierung und IKT, der vom Finanzdepartement geleitet wird. Dreimal hat sich dieser bislang mit den IKT-Projekten des VBS beschäftigt. Das Mittel des separaten Aufsichtsausschusses wurde zwar nach dem Insieme-IT-Debakel in der Steuerverwaltung 2012 als neues Instrument eingerichtet. Bis heute aber hat der Bundesrat noch nie einen separaten Aufsichtsausschuss, so wie es die Finanzkontrolle empfohlen hat, eingesetzt.

So reagiert das VBS: Das Verteidigungsdepartement schreibt auf Anfrage, dass es grundsätzlich die Einschätzung der Finanzkontrolle teile. Das Projektvolumen sei hoch und es bestünden Risiken. «Das VBS hat zahlreiche Massnahmen ergriffen, um die Steuerung der IKT-VBS zu stärken, namentlich die IKT-Governance und das IKT-Projektportfoliomanagement.» Das Verteidigungsdepartement weist weiter darauf hin, dass aktuell die Begleitung durch den Bundesratsausschuss evaluiert wird. Der Bundesrat habe das VBS und die Bundeskanzlei beauftragt, die Zweckmässigkeit der zusätzlichen Aufsicht nach zwei Jahren zu prüfen. Bis Ende Juni 2025 solle das VBS einen Antrag dem Bundesrat unterbreiten. Es kann also gut sein, dass der Bundesrat die Aufsicht nächstes Jahr wieder aufgibt.

Das sagt der Präsident der Finanzdelegation

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Mitte-Ständerat Peter Hegglin ist Präsident der Finanzdelegation der beiden Räte. Die Finanzdelegation überwacht den Bundeshaushalt. Hegglin kennt die Empfehlung der Finanzkontrolle und weiss von der Umsetzung des Bundesrates. Er begrüsst die zusätzliche Aufsicht über das VBS. Dies sei aus seiner Sicht auch kein Misstrauensvotum gegenüber einem Departement oder einer Bundesrätin. Er begrüsse es, wenn der Bundesrat an der Aufsicht über das VBS festhalte. «Ich teile die Ansicht, dass man fast nicht genug kontrollieren kann – gerade bei sehr grossen Projekten,» sagt Hegglin. Wenn die Projekte gut liefen, sei es auch im Interesse der Verwaltung, dass dies jemand bestätige, sagt der Präsident der Finanzdelegation.

Heute Morgen, 19.12.2024, 06.00 Uhr;stal

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