Es sind befremdliche Bilder: Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko empfängt in Minsk den Präsidenten des Eishockeyweltverbands, den Schweizer René Fasel. Sie umarmen sich herzlich – ohne Maske. Dabei ist Lukaschenko ein Diktator, der die Proteste gegen ihn mit aller Härte bekämpft. Laut SP-Nationalrat Matthias Aebischer zeigt dies ein Dilemma auf.
SRF News: Was haben die Bilder aus Minsk bei Ihnen ausgelöst?
Matthias Aebischer: Als Sportfan und Politsportvertreter muss ich sagen, dass dies beschämende Bilder sind. Und ich glaube auch, dass sie das Dilemma der internationalen Sportverbände bestens aufzeigen. Aber fast noch entscheidender ist, was Fasel Lukaschenko dabei mitteilt: Wenn er ihm nämlich sagt, dass die Eishockey-WM nicht in Minsk stattfindet, dann ist die Wirkung, die das Bild erzeugt, sekundär. Denn die WM darf auf keinen Fall in Belarus stattfinden. Man darf diesem Despoten keine Plattform bieten.
Ist das einfach eine Hoffnung, die Sie haben? Oder haben Sie Hinweise, dass René Fasel die WM tatsächlich nicht nach Belarus vergeben wird?
Ich kenne René Fasel schon lange. Und ich bin überzeugt, er hat die Zeichen der Zeit erkannt. Ende Monat will er darüber informieren, wie es weitergehen soll mit der Eishockey-WM 2021. Ich bin sicher, dass er das Richtige macht.
Selbst wenn die WM nicht in Belarus stattfindet, wieso kam es überhaupt zu diesem öffentlichkeitswirksamen Treffen?
Der Sport sollte nicht politisiert werden. Doch das macht Alexander Lukaschenko perfekt. Er hat gewusst: Irgendwann einmal muss der Präsident des Internationalen Eishockeyverbandes nach Belarus kommen, auch wenn er die Eishockey-WM absagen will. Und dann werden alle Kameras laufen, wenn ich ihn begrüsse. Ich werde ihn umarmen und ich werde zeigen, dass ich in der internationalen Gemeinschaft bestens eingebettet bin.
Der Sport sollte nicht politisiert werden.
Das funktioniert – und es ist eine Katastrophe. Denn in Belarus findet gerade eine Revolution statt. Man kann Lukaschenko unmöglich gleichzeitig den Rücken stärken.
Was können Sie als Präsident der parlamentarischen Gruppe Sport tun, um den Druck zu erhöhen, damit die WM nicht in Belarus stattfindet?
Die Politik kann in dieser Phase – wir sind fünf Monate vor dieser möglichen WM in Belarus – primär den Druck massiv erhöhen. Wir haben den internationalen Eishockeyverband öffentlich aufgefordert, die WM nicht dort durchzuführen. Auch der EU-Abgeordnete hat Fasel einen Brief geschrieben – mit demselben Inhalt. Das Internationale Olympische Komitee hat Lukaschenko aus dem IOK ausgeschlossen. Und man darf auch nicht vergessen, dass die EU und die Schweiz Sanktionen ergriffen haben und zum Beispiel eine Einreisesperre gegen Lukaschenko verhängt haben.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass die WM nicht in Belarus stattfindet?
Ich gehe davon aus, dass René Fasel deshalb nach Minsk gereist ist. Er wird noch einige Tage dort bleiben, um Alexander Lukaschenko zu erklären, dass die Eishockey-WM von Ende Mai bis Anfang Juni nicht in Belarus stattfindet. Sie findet ja auch im lettischen Riga statt. Der internationale Verband muss jetzt eine zweite Austragungsstadt suchen.
Am Schluss wäre es ein Diktator, der unseren Eishockeyspielern die Goldmedaille überstreifen würde.
Was ich auch noch sagen möchte: Die Schweiz gehört zu den Top-Favoriten bei dieser Eishockey-WM und ich stelle mir vor: Wenn nun die Schweiz zum ersten Mal Weltmeister wird – und das liegt drin! –, dann wäre es am Schluss ein Diktator, der unseren Eishockeyspielern die Goldmedaille überstreifen würde. Und das ist für mich ein Bild, das ich nicht akzeptieren kann.
Das Gespräch führte Roger Aebli.