Von Genf aus soll heute eine Maschine Richtung der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba starten, mit dem Auftrag mehrere abgewiesene Asylbewerber zurückzuschaffen. Doch ganz nach Plan verläuft die Aktion nicht. In mindestens zwei Fällen verzichten die Schweizer Behörden vorderhand auf die Rückführung. Dies, nachdem die Rechtsvertreter der Asylbewerber zwei namhafte UNO-Kommissionen kontaktiert haben.
Die Anwältin Lea Hungerbühler vom Verein AsyLex erklärt, sie habe zusammen mit einer anderen Organisation sowohl beim UNO-Anti-Folterausschuss als auch beim UNO-Ausschuss für die Rechte der Frauen interveniert. «Wir konnten erreichen, dass für beide unserer Klienten – die Frau und den Mann – die Ausschaffung gestoppt wurde.» Die Intervention hat also gewirkt.
SEM hält Rückführungen für zulässig
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) in Bern hält sich bedeckt. Zu konkreten Fällen wie auch zum geplanten Ausschaffungsflug äussere man sich nicht, betont das SEM, und macht Sicherheits- und Datenschutzgründe geltend.
Gleichwohl betont das SEM, dass Rückschaffungen nach Äthiopien grundsätzlich vertretbar seien. «Wir beurteilen es so, dass es im Moment zulässig ist, solche Rückführungen durchzuführen», sagt SEM-Sprecher Daniel Bach. Selbstverständlich würde niemand in den Regionalstaat Tigray zurückgeführt, wo es eine bürgerkriegsähnliche Situation gebe.
«In allen anderen Teilen Äthiopiens herrscht aber kein Zustand allgemeiner Gewalt. Aus unserer und der Sicht vieler anderen europäischen Staaten sind Rückführungen durchaus zulässig», sagt Bach.
Der Informationsaustausch mit anderen europäischen Staaten ist den Schweizer Behörden wichtig. Die Schweiz konnte sich auch an ein Rückübernahmeabkommen anhängen, das die EU mit Äthiopien vereinbart hatte.
Dem Vernehmen nach soll es sich beim für heute geplanten Rückschaffungsflug um einen Flug der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex handeln, den also verschiedene Länder gemeinsam durchführen.
Scharfe Kritik an den Rückschaffungen nach Äthiopien kommt von Menschenrechtsorganisationen. Nicht nur in der Kriegsregion Tigray sei die Lage problematisch, betont Reto Rufer von Amnesty International.
Amnesty habe Ende Dezember Massaker an über 100 Angehörigen von ethnischen Minderheiten weitab der Tigray-Region dokumentiert. «Und es bestehen Spannungen in vielen anderen Regionen des Landes, wo jederzeit mit dem Ausbruch gewaltsamer Eskalationen gerechnet werden muss.»
Befürchtungen gebe es vor allem im Hinblick auf die Wahlen, die für Juni geplant sind, so Reto Rufer von Amnesty International weiter.
SEM: Wenig Ausschaffungen nach Äthiopien
Rückschaffungen nach Äthiopien finden bislang eher selten statt. Laut offiziellen Angaben sind letztes Jahr 14 Personen freiwillig von der Schweiz nach Äthiopien zurückgekehrt und sechs wurden zwangsweise zurückgeführt.
Wie gefährlich die Situation in Äthiopien aber insgesamt ist – da gehen die Meinungen zwischen Menschenrechtsorganisationen und Bundesbehörden auseinander.