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Ex-Raiffeisen-Chef Fall Vincenz: Zürcher Staatsanwaltschaft will vor Bundesgericht

  • Das Zürcher Obergericht hat das erstinstanzliche Urteil gegen den ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz wegen «schwerwiegenden Verfahrensfehlern» aufgehoben.
  • Nun will die Zürcher Staatsanwaltschaft beim Bundesgericht Beschwerde gegen die Rückweisung einreichen, so eine entsprechende Mitteilung.
  • Bei der Rückweisung des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft handelt es sich um einen technischen Entscheid: Das Obergericht hat sich bislang noch nicht inhaltlich – also über Schuld oder Unschuld von Vincenz – mit der Anklage befasst.

Das Bezirksgericht Zürich hatte Vincenz und vier Geschäftspartner im April 2022 zu teilweise mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Dabei seien aber zentrale Ansprüche auf rechtliches Gehör und eine gesetzeskonforme Anklageschrift verletzt worden, hält das Obergericht Zürich in einer Medienmitteilung fest.

Obergericht spricht von ausschweifender Anklageschrift

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Das Obergericht stufte unter anderem das Anklageprinzip als verletzt ein: In der «teilweise ausschweifenden Anklageschrift» – sie war 356 Seiten dick – würden die Anschuldigungen derart umfangreich vorgebracht, dass der gesetzliche Rahmen gesprengt sei. Sie enthalte regelmässig nicht relevante Ergebnisse. «Durch diesen Umstand wurde den Beschuldigten im erstinstanzlichen Verfahren erheblich erschwert, sich wirksam zu verteidigen.» Das Verdikt: Die Anklageschrift genügt der Strafprozessordnung nicht.

Das Obergericht hält aber noch weitere Mängel fest: Dass für einen französischsprachigen Beschuldigten nur Auszüge aus der Anklageschrift übersetzt worden seien, obwohl Vincenz eine Übersetzung mehrfach gefordert habe, genüge ebenfalls nicht. Dies stelle eine schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Fairnessgebots dar.

Bei der Rückweisung des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft handelt es sich um einen technischen Entscheid: Zur Frage von Schuld oder Unschuld äussert sich der Beschluss nicht.

Es hat deshalb das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und das Strafverfahren an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Die Vermögenswerte von Vincenz und weiteren Personen werden nicht freigegeben; diese bleiben sichergestellt.

Staatsanwaltschaft akzeptiert Rückweisung nicht

Die Zürcher Staatsanwaltschaft akzeptiert den Rückweisungsentscheid des Obergerichts im Falle des ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz nicht. Sie wird gegen das Urteil beim Bundesgericht Beschwerde einreichen, wie sie am Dienstagabend mitteilte.

Die Staatsanwaltschaft teile die Auffassung des Obergerichts, dass in der Anklageschrift das rechtliche Gehör verletzt worden sei, nicht. Eine äusserst aufwändige Wiederholung des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens sei nicht angebracht.

Zum Vorwurf, die Anklageschrift sei zu ausführlich gewesen, schreibt die Oberstaatsanwaltschaft, dass die Öffentlichkeit sich an der Verhandlung vor dem Bezirksgericht habe überzeugen können, dass alle Parteien die Anklageschrift verstanden und gezielt hinterfragt hätten. Entsprechend habe keine Partei ihren Rückweisungsantrag an das Obergericht mit der Ausführlichkeit der Anklage begründet.

Sodann sei der Übersetzungsanspruch des französischsprachigen Beschuldigten nicht verletzt worden. Dieser habe an der Verhandlung bestätigt, die Anklageschrift erhalten, verstanden und mit seiner Verteidigung besprochen zu haben.

Bis zu vierjährige Freiheitsstrafen

Das Bezirksgericht Zürich hatte Vincenz und dessen Geschäftspartner unter anderem wegen Betrugs und mehrfacher Veruntreuung mit Freiheitsstrafen von drei Jahren und neun Monaten beziehungsweise vier Jahren bestraft. Drei weitere Beschuldigte wurden zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Eine weitere Person wurde freigesprochen, das Verfahren gegen eine weitere wurde eingestellt.

Ein Mann mit weissem Haar und Brille
Legende: Das Urteil gegen Pierin Vincenz wurde vom Zürcher Obergericht aufgehoben. Die Staatsanwaltschaft will nun vors Bundesgericht. Keystone/Ennio Leanza

Die Staatsanwaltschaft warf dem ehemaligen Raiffeisen-Chef und seinem Kompagnon insbesondere vor, dass sie sich heimlich an Firmen beteiligt und danach dafür gesorgt hatten, dass diese Unternehmen unter anderem durch die Raiffeisen aufgekauft wurden. Dabei sollen die beiden Gewinne in Millionenhöhe eingestrichen haben.

Diese erstinstanzlichen Urteile zogen die Beteiligten ans Zürcher Obergericht weiter. Der Berufungsprozess war für Juli 2024 angesetzt gewesen. Nun kam das Obergericht aber zum Schluss, dass die Staatsanwaltschaft ihre Anklage überarbeiten und neu einreichen muss. Die Staatsanwaltschaft akzeptiert dies allerdings nicht und will den Fall vor Bundesgericht bringen.

Publizistischer Hinweis

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Dieser Artikel wurde aufgrund neuer Erkenntnisse angepasst.

Tagesschau, 20.02.2024, 12:45 Uhr ; 

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