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Rechenfehler bei der AHV: Wie gravierend sind die Folgen?
Aus Echo der Zeit vom 06.08.2024. Bild: Keystone/Peter Klaunzer
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Falschberechnung der AHV Der AHV-Rechenfehler hat vielfältige Auswirkungen

Zahlreiche Institutionen arbeiten mit den Prognosen des Bundes. Und so wird aus dem Fehler im Bundesamt eine ganze Fehlerkette.

In der Politik werden die Zahlen des Bundes von links bis rechts zur Hand genommen, interpretiert, und dem politischen Gegner unter die Nase gerieben. So lassen sich etwa mit Finanzperspektiven für die AHV Abstimmungskämpfe gewinnen. Oder verlieren.

«Wenn die Zahlen nicht stimmen, sind die Grundlagen falsch», sagt Jürg Grossen, Parteipräsident der Grünliberalen. «Das ärgert einen sehr.» Wenn Zahlen nicht stimmten, werde alles angezweifelt, so Grossen weiter.

Um 14 Milliarden bessere AHV-Prognose

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Wie das Bundesamt für Sozialversicherungen am Dienstag bekannt gab, geht es der AHV besser als bisher angenommen: Für die Jahre 2024 und 2025 geht das BSV jetzt von einem positiven Umlageergebnis aus. Ab 2026 wird die AHV nach der Einführung der 13. AHV-Rente rote Zahlen schreiben. Die Defizite werden aber geringer ausfallen als bisher erwartet.

Die Ausgaben der AHV wurden durch die Berechnungsfehler zu hoch ausgewiesen. Für die Jahre 2024, 2025 und 2026 sind die Korrekturen laut BSV aber unbedeutend. 2027 liegt die Überschätzung bei 500 Millionen Franken. 2028 dürften die effektiven Ausgaben 900 Millionen Franken tiefer ausfallen, 2029 knapp 1.3 Milliarden, 2030 wird die Differenz gut 1.8 Milliarden Franken betragen, 2031 bereits 2.5 Milliarden Franken und 2032 3.1 Milliarden Franken. 2033 schliesslich wären es dann 4 Milliarden Franken. Zusammen macht das dann bis 2033 eine kumulierte Differenz von 14 Milliarden Franken aus, wie zunächst Infosperber berichtet hatte.

Bereits gibt es Forderungen, die Abstimmungen über das höhere Frauenrentenalter zu wiederholen. Diese Vorlage hatte auch Grossens GLP unterstützt. Er habe als mathematisch versierter Miliz-Parlamentarier zwar eine gesunde Skepsis, sagt Grossen. Aber er habe nicht die Möglichkeit, alle Bundesstatistiken zu überprüfen.

Wichtig für die politische Auseinandersetzung

Ähnlich tönt es bei Verbänden, etwa dem Arbeitgeberverband. Direktor Roland Müller sagt: Wenn man sich politisch streite, müsse man sich wenigstens auf die Zahlen verlassen können, über die man streite. «Sonst gerät die ganze politische Diskussion in Schieflage.»

Die Folgen fehlerhafter AHV-Perspektiven gehen aber weiter. So teilt die Eidgenössische Finanzverwaltung mit, sie habe keine eigenen Berechnungen und stütze sich auf die Angaben der Kollegen. Die AHV aber ist der grösste Ausgabenposten des Bundes.

Schweizer AHV/IV-Versicherungsausweis mit persönlicher Information und Musterstempel.
Legende: Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) rechnet nun in den nächsten Jahren mit einer weniger unterfinanzierten AHV als bisher angenommen. Gespart werden müsse bei den Bundesfinanzen aber immer noch , heisst es vom Bund. Keystone/Gaëtan Bally

Vier Milliarden Franken haben oder nicht haben: Das hat Folgen, wenn etwa über Budgetentwürfe und Sparmassnahmen diskutiert wird.

Dabei beeilt sich die Finanzverwaltung allerdings zu betonen, dass sich mit dem Rechnungsfehler bei der AHV grundsätzlich nicht viel ändere. Gespart werden müssen immer noch.

Wichtig auch für Konjunkturprognosen

Und auch ausserhalb von Politik und Verwaltung hat der AHV-Berechnungsfehler Folgen. Zum Beispiel wenn die Konjunkturforschungsstelle des Bundes die wirtschaftliche Entwicklung abschätzen will.

Auch sie übernehme dann Angaben des Bundes, sagt KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm. «Wir haben keine Ressourcen, diese Berechnungen selber zu machen». Deshalb vertraue man den Angaben des Bundes.

Uns fehlen die Ressourcen, die Berechnungen selber zu machen.
Autor: Jan-Egbert Sturm Direktor der Konjunkturforschungsstelle der ETH, KOF

Ähnlich tönt es bei Privaten, wie dem Büro C-alm, das etwa Pensionskassen mit Berechnungen versorgt. Wenn Daten nicht den Kern eines Auftrags beträfen, übernehme man die Angaben des Bundes – weil diese in der Regel zuverlässig seien, sagt Roger Baumann, Partner bei C-alm.

Bei AHV-Rechnungsfehlern komme hinzu, dass die AHV alleinige Bundesaufgabe sei. Es gibt sie nur einmal. Das sei etwa bei der beruflichen Vorsorge, der zweiten Säule der Altersvorsorge, anders. Bei der AHV rechne kaum jemand nach, so Baumann.

Künftig externe Überprüfung nötig?

Alle angefragten Involvierten und Experten sagen: Der Milliarden-Fehler bei der AHV sei unschön. Und es brauche nun Verbesserungen. Sinnvoll sei etwa, dass die AHV-Berechnungen nun extern überprüft würden.

Letztlich müsse man sich aber auch künftig auf die Zahlen des Bundes verlassen, denn es bleibe gar nichts anderes übrig.

Klar ist aber auch: Der Fehler bei der AHV zeigt, dass man finanzielle Prognosen, vor allem langfristige, immer mit Vorsicht geniessen muss. Es ist ähnlich wie beim Wetter: Die Langfristprognosen zeigen die Tendenz an – aber nicht ein künftiges Ergebnis.

Video
Archiv: Nicht die erste Falschinformation eines Bundesamtes
Aus 10 vor 10 vom 06.08.2024.
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Rendez-vous, 7.8.2024, 12:30 Uhr

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