Defizite, hoher Druck auf das Personal und die Finanzen: Die Spitäler ächzen. Das Kantonsspital St. Gallen etwa weist ein Defizit von 23 Millionen Franken aus. Beim Spital Freiburg sind es rund 28 Millionen und das Kantonsspital Aarau hat eine Finanzspritze vom Kanton in der Höhe von 240 Millionen beantragt.
Immer mehr Spitäler drücken den Notfallknopf. Anne-Geneviève Bütikofer ist Direktorin des Spitalverbands H+. Für sie liegt das Problem am Finanzierungssystem: «Die aktuellen Herausforderungen zeigen, dass das Finanzierungssystem unseres Gesundheitswesens an die Grenze gekommen ist.»
Die Problemanalyse des Spitalverbandes ist grundlegend. Reformen sind zwar angedacht, doch helfen sie den Spitälern kurzfristig nicht aus ihren Defiziten. Die Krankenversicherer hinterfragen diese Darstellung und verweisen auf goldene Jahre mit schwarzen Zahlen.
Für Investitionen braucht ein Spital zehn Prozent Gewinn
Bei H+ erwidert Direktorin Bütikofer, dass die Krankenkassen ausser Acht lassen würden, dass Spitäler und Kliniken Gewinne machen müssten, um Investitionen in die Zukunft tätigen zu können. «Sonst werden sie früher oder später nicht mehr in der Lage sein, ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen.»
Über den Daumen gepeilt brauche ein Spital dafür einen Gewinn von rund zehn Prozent. Nur sei das schon in den vergangenen Jahren und vor der Pandemie nicht bei allen Spitälern möglich gewesen, diese Investitionen zu erwirtschaften. Das sagt Agnes Nienhaus, Geschäftsführerin des Verbandes Universitäre Medizin Schweiz.
Verschärft hat sich die finanzielle Situation im letzten Pandemiejahr. Viele Angestellte kündigten oder wurden krank, die Spitäler suchten händeringend nach Ersatz. Nun belasten die gestiegenen Preise ihre Budgets zusätzlich.
Wir können bereits heute nicht mehr alle Patientinnen und Patienten so versorgen, wie sie es verdient hätten oder wir es machen müssten.
Die Direktorin von H+ spricht von einer Versorgungskrise: «Wir können bereits heute nicht mehr alle Patientinnen und Patienten so versorgen, wie sie es verdient hätten oder wir es machen müssten. Wir haben überlastete Notfallstationen mit langen Wartezeiten, Personalmangel, Aufnahmestopp in Spitälern oder in Arztpraxen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.»
Die Lage sei schwierig, stellt auch Volkswirtschaftsprofessor Tilman Slembeck fest, der an der Fachhochschule ZHAW lehrt. Überrascht ist er aber nicht: «In der Vergangenheit gab es ein Wettrüsten im Spitalbereich. Viele Kantone wollten ein Gesundheitskanton sein und haben hohe Kapazitäten aufgebaut, die dann auch ausgelastet werden müssen, und die zu hohen Kosten führen.» Für ihn braucht es nicht kurzfristig Geld, sondern langfristig eine bessere überregionale Planung für Spitäler.
Viele Kantone wollten ein Gesundheitskanton sein und haben hohe Kapazitäten aufgebaut, die dann auch ausgelastet werden müssen, und die zu hohen Kosten führen.
Spitäler wollen höhere Tarife
Kurzfristig fordern die Spitäler ein Anheben aller Tarife um fünf Prozent. Auch die Kantone wünschen sich eine rasche Anpassung der Tarife in den laufenden Gesprächen zwischen Spitälern, Kantonen und Krankenkassen. Doch die Krankenversicherungsverbände Curafutura und Santésuisse lehnen eine generelle Tariferhöhung ab. Santésuisse schreibt auf Anfrage: «Spitaltarife würden die Prämienzahlerinnen und -zahler zusätzlich belasten, weshalb wir flächendeckende Tariferhöhungen grundsätzlich kritisch sehen.» Auch Gesundheitsexperte Slembeck sieht generelle Tariferhöhungen kritisch, für ihn braucht es vielmehr effizientere Strukturen.
Welche Versorgung mit Spitälern braucht die Schweiz? Auch die Direktorin von H+ stellt diese Frage im Wissen darum, dass sie sie nicht beantworten muss. Das ist eine Frage für Gesellschaft und Politik.