Das Freilichtmuseum Ballenberg hat einen hohen Eigenfinanzierungsgrad und ist deshalb stark von den Einnahmen aus Eintritten abhängig. Weil das Museum auf einem weitläufigen Gelände bei Brienz im Berner Oberland liegt, müssen die Gäste in der Regel bereit zu einem Tagesausflug sein – internationale Gäste aber haben meist wenig Zeit.
Das Museum lanciert deshalb eine elektrisch betriebene Mini-Bahn, um mehr internationale Gäste ins Museum zu locken. Die Idee: Wenn asiatische Touristen im Car von Luzern nach Interlaken reisen, sollen sie eine Stippvisite im Ballenberg machen und per Bähnli von einem Eingang zum anderen gefahren werden. Das dauert höchstens eine Stunde.
Elektrobahn polarisiert
Eine kurze Umfrage unter den Gästen im Ballenberg-Museum zeigt schnell: Bei den internationalen Touristinnen und Touristen – vor allem aus dem asiatischen und arabischen Raum – kommt die Idee gut an.
Der Tenor bei den Gästen aus der Deutschschweiz hingegen lautet: Die Elektrobahn sei im Unterschied zu den Pferdekutschen nicht authentisch, für das Ballenberg-Museum müsse man sich Zeit nehmen, Massentourismus sei da fehl am Platz.
Argumente, die Geschäftsführer Martin Michel nachvollziehen kann: «Wir wissen, dass es die eine oder andere Person stören wird, wenn wir einmal pro Stunde mit der Bahn durchs Museum fahren, aber wir sind überzeugt, dass es ganz viele – auch Schweizer – Gäste geben wird, die dieses neue Angebot schätzen werden.» Das Bähnli werde nur auf bestimmten Strecken verkehren, um Besucher, die lieber zu Fuss unterwegs sind, möglichst wenig zu stören.
Keine Angst vor «Overtourism»
Das Ballenberg-Museum liegt rund 15 Kilometer von Iseltwald entfernt, dem typischen Beispiel für Overtourism: Weil eine Szene einer Netflix-Serie auf dem Steg am Brienzersee gedreht wurde, wird das Dorf von asiatischen Gästen überrannt.
«Ein solches Gedränge wird man bei uns nicht sehen», ist Michel überzeugt. Das Gelände sei so gross, dass sich die Gäste problemlos verteilen könnten.
Diese Einschätzung teilt auch Monika Bandi, Leiterin der Forschungsstelle Tourismus an der Universität Bern: «Von der Grösse her hat das Ballenberg-Museum das Potenzial, mehr Gäste zu begrüssen. Und Museen brauchen viele Menschen, Tourismus ist ein Frequenzgeschäft.» Entscheidend sei aber, den Plan so umzusetzen, dass sich die traditionellen Schweizer Gäste nicht durch die internationalen Gäste gestört fühlten – zum Beispiel durch eine räumliche Trennung.
Auch Sibylle Birrer, Vorsteherin des Amts für Kultur des Kantons Bern – der das Museum finanziell unterstützt –, begrüsst das neue Angebot grundsätzlich. «Die Weitläufigkeit des Museums ist eine Herausforderung für alle Gäste, die nicht gut zu Fuss sind.» Ein solches Transportmittel könne diesen Gästen einen komfortablen Museumsbesuch ermöglichen. «Um das reiche, vermittelte Kulturerbe auf dem Ballenberg kennenzulernen, bleibt aber ein gewisser Zeiteinsatz unabdingbar.»