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Fuorn-Rudel auf Abschussliste Wie das Wolfsrudel im Nationalpark die Natur beeinflusst

Ab dem 1. November darf das Fuorn-Rudel geschossen werden. Trotz Aufschrei legen Umweltverbände keinen Rekurs ein.

Der Schweizerische Nationalpark im Engadin ist seit 110 Jahren eine unberührte Wildnislandschaft, ein grosses Naturschutzgebiet, in das der Mensch nicht eingreift. Auch, wenn es um den Wolf geht. Rund um den Ofenpass leben heute 17 Wölfe. Der diesjährige Wurf umfasste sieben Tiere.

Wolfsrudel mit Welpen in einer Fotofalle
Legende: Im diesjährigen Wurf waren beim Fuorn-Rudel sieben junge Wölfe. ZVG/Schweizerischer Nationalpark

Die Wölfe hinterlassen ihre Spuren im Nationalpark. Auf den zahlreichen Fotofallen im Gebiet sind neben herumtollenden Wolfswelpen zum Beispiel weniger Hirsche zu sehen. Zählungen haben ergeben, dass der Rothirschbestand im Fuorngebiet im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent zurückgegangen ist.

Auf einer Erkundungstour fällt Nationalparkdirektor Ruedi Haller und seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Pia Anderwald eine Wiese auf, die jahrzehntelang von Hirschen und Gämsen abgeweidet wurde. Jetzt ist sie hoch.

Zwei Personen stehen auf einer Wiese
Legende: Nationalpark-Direktor Ruedi Haller mit Pia Anderwald, einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Nationalparks. SRF

Ruedi Haller sagt: «Früher grasten hier jede Nacht 30 bis 40 Hirsche. Die Wölfe haben eine Verhaltensänderung der Hirsche ausgelöst. Weil die Hirsche nicht mehr hier sind, hat dies einen Einfluss auf die Vegetation.»

Wolf beeinflusst Ökosystem

Seit der Wolf im Nationalpark heimisch ist, haben die Parkwächter mehr zu tun: Von jedem gefundenen Wolfskot muss nun eine Probe genommen werden, damit später im Labor die DNA und damit das Individuum bestimmt werden kann. Ein Parkwächter sagt: «Oft finden wir Wolfskot am Wegrand. Die Wölfe bewegen sich den Wegen nach, das ist gemütlicher als durchs Gebüsch.»

Der Einfluss des Wolfs auf das Ökosystem wird beim Gang durch den Nationalpark immer wieder sichtbar. Am Fuornbach liegt das Skelett eines Rothirschs. Dort leistet der Wolf Vorarbeit für andere Tiere. Direktor Ruedi Haller erklärt: «Hier waren nicht nur Wölfe am Werk. Später kamen der Fuchs und der Kolkrabe. Jetzt wartet noch der Bartgeier.»

Ab dem 1. November darf das Fuorn-Rudel offiziell gejagt werden. Der Kanton Graubünden hat vom Bundesamt für Umwelt die Abschussbewilligung für das ganze Rudel erhalten. Es soll in der Nähe des Nationalparks zwei Rinder gerissen haben.

Der Abschussentscheid wurde von Umweltverbänden und der Forschungskommission des Nationalparks kritisiert. Das werfe die ganze wissenschaftliche Arbeit zurück, sagt Pia Anderwald. «Probleme gibt es oft mit abwandernden Jungwölfen. Ob der Abschuss des ganzen Rudels die Situation verbessert, wage ich zu bezweifeln.»

Landschaft
Legende: Eine unberührte Wildnislandschaft, wo sich auch der Wolf wohlfühlt: der Schweizerische Nationalpark im Engadin. SRF

Adulte Wölfe, also Elterntiere, brächten eher Ruhe in ein Rudel, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin: «Wenn sich Elterntiere nichts zu schulden kommen lassen, haben sie eine stabilisierende Wirkung. Wenn die Jungwölfe das Problem sind, weil sie abwandern und auf leichte Beute angewiesen sind, verschärft sich die Situation noch, wenn eines der älteren Tiere abgeschossen wird.»

Kein Rekurs gegen Wolfs-Abschuss

Weder der Nationalpark noch die Umweltverbände haben Rekurs eingelegt. Beide finden, ein juristisches Hickhack bringe nichts. Nationalparkdirektor Haller sagt: «Wir akzeptieren, dass Jungwölfe oder schadstiftende Wölfe geschossen werden. Ich glaube, es braucht eine Reaktion in den nächsten Jahren, dass wir Lösungen finden in der Region, dass wir mit Schäden umgehen können.» Das würde er sich wünschen. «Weil null keine Lösung ist.»

Auch nicht für Pro Natura. Die Organisation appelliert an Bund und Kanton, das Nationalparkrudel nicht auszulöschen. Geschossen werden dürfen die Tiere nur ausserhalb des Nationalparks.

Schweiz aktuell, 29.10.2024, 19:00 Uhr ; 

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