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Tagesgespräch: Wenn Antibiotika nicht mehr wirkt
Aus Rendez-vous vom 18.11.2024. Bild: KEYSTONE/Anthony Anex
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Gefährliche Bakterien «Antibiotikaresistenzen gehören zu den grössten Bedrohungen»

Die Resistenzen gegen Antibiotika nehmen zu – auch in der Schweiz. Das zeigt der neuste Bericht über Antibiotikarestistenzen. Über die Gründe und notwendige Vorkehrungen weiss Anne Lévy mehr. Sie ist Chefin des Bundesamts für Gesundheit BAG.

Anne Lévy

Direktorin des Bundesamts für Gesundheit BAG

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Anne Lévy ist seit Oktober 2020 Direktorin des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Zuvor leitete die gebürtige Bernerin die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel.

SRF News: Der Antibiotikagebrauch in der Schweiz ist seit dem letzten Bericht 2022 gestiegen. Warum?

Anne Lévy: Weil sich die Leute während der Coronapandemie weniger trafen, gab es weniger bakterielle Infektionen, gegen die Antibiotika eingesetzt werden mussten. Jetzt stehen wir beim Verbrauch wieder dort, wo wir vor der Pandemie waren. Immerhin: Es werden im Vergleich zu früher weniger der kritischen Antibiotika verschrieben, also jener Medikamente, die Resistenzen begünstigen.

300 Todesfälle wegen Resistenzen – pro Jahr

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Legende: Reuters/Fabrizio Bensch

Der neue Antibiotikaresistenzen-Bericht der Schweiz zeigt eine Abnahme des Antibiotikagebrauchs besonders in der Veterinärmedizin. Trotzdem weist er auf weiteren Handlungsbedarf beim korrekten Einsatz von Antibiotika hin: Denn in der Schweiz sterben etwa 300 Menschen pro Jahr wegen antibiotikarestistenter Bakterien. Dabei verharrt die Anzahl der Fälle von Resistenzen auf stabilem Niveau.

Konkret ging der Einsatz kritischer Antibiotika bei Nutztieren seit 2014 um 76 Prozent zurück, wie der «Swiss Antibiotic Resistance Report 2024» der Bundesämter BAG, BLV, BLW und Bafu zeigt. In der Humanmedizin sank ihr Einsatz im gleichen Zeitraum um 26 Prozent. Dabei halten sich regionale Unterschiede hartnäckig: In der Deutschschweiz finden Antibiotika wesentlich weniger Anwendung als in der lateinischen Schweiz. (sda)

Man soll nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich Antibiotika einnehmen. Warum?

Wenn Antibiotika falsch eingesetzt werden, begünstigt das Resistenzen bei den Bakterien. Darum dürfen die Medikamente auch nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden. Dabei ist wichtig, die von der Ärztin verordnete Dosierung genau einzuhalten. Also nicht zu früh mit der Einnahme aufhören, aber das Medikament auch nicht zu lange einzunehmen. Und: übriggebliebene Dosen für eine fachgerechte Entsorgung zurückbringen.

Vor allem die neueren sogenannten kritischen Antibiotika sollten so selten wie möglich eingesetzt werden.

Die Schweiz gehört zu jenen Ländern mit dem geringsten Antibiotikaverbrauch. Warum also braucht es noch weitere Anstrengungen, diesen noch mehr zu senken?

Ziel muss sein, dass ausschliesslich die richtigen Antibiotika eingesetzt werden und nur in jenen Fällen, in denen es absolut nötig ist. Vor allem die neueren sogenannten kritischen Antibiotika sollten so selten wie möglich eingesetzt werden. Denn sie sind es, die derzeit noch gegen multiresistente Keime wirken. Sie dürfen ihre Wirksamkeit nicht verlieren. Das betrifft sowohl die Human- wie die Tiermedizin.

Was würde es bedeuten, wenn dies trotzdem geschieht?

Die Resistenzen gegen die vorhandenen Antibiotika gehören zu den grössten Bedrohungen für die Gesundheit von Mensch und Tier. Wenn die multiresistenten Keime nicht mehr mit Antibiotika bekämpft werden können, stehen wir am selben Ort, wie vor 100 Jahren – als es noch keine Antibiotika gab. Darum ist es wichtig, dass die Forschung für neue Antibiotika weitergeht und gleichzeitig so wenig wie möglich Antibiotika eingesetzt werden.

Es braucht neue Modelle, damit weiterhin an neuen Antibiotika geforscht wird.

Wie wollen Sie das erreichen?

Die Ärzte werden weiterhin entsprechend ausgebildet und sensibilisiert. Zudem soll mit einer Gesetzesrevision der Anreiz zur Entwicklung neuer Antibiotika erhöht werden. Weil so wenig wie möglich von diesen neuen Antibiotika verschrieben werden sollen, ist es für eine Pharmafirma nicht attraktiv, Millionensummen in die Entwicklung von etwas zu stecken, das dann womöglich während Jahren kaum verkauft wird. Deshalb braucht es neue Modelle, wie man die Unternehmen trotzdem dazu bringen kann.

Vorbild Grossbritannien?

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Anne Lévy nennt als Möglichkeit das britische, sogenannte Abo-Modell. Demnach würde der Bund jährlich einen bestimmten Betrag an einen Hersteller von sogenannten kritischen, weil neuen und gegen multiresistente Keime wirksame Antibiotika bezahlen, unabhängig davon, ob und wie viel von diesen Antibiotika die Firma verkauft. «Das Unternehmen hätte damit so etwas wie eine Abnahmegarantie», so Lévy.

Die Welt ist vernetzt – wie gross ist die Gefahr, dass sich resistente Keime aus dem Ausland auch in der Schweiz einnisten?

Der internationale Austausch ist zentral – es bringt wenig, wenn nur wir in der Schweiz möglichst wenige der kritischen Antibiotika brauchen, während sie in den Nachbarländern massiv verschrieben werden. Man sollte also ähnliche Massnahmen ergreifen – dazu gibt es unter anderem eine UNO-Resolution, zudem sind wir mit unseren Nachbarländern im Gespräch. Auch muss die Entwicklung neuer Antibiotika international organisiert werden. Denn dies ist sehr teuer und übersteigt die Möglichkeiten der Schweiz.

Das Gespräch führte David Karasek.

Tagesgespräch, 18.11.2024, 13 Uhr ; 

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