Geheimdienstaffäre Cryptoleaks - «Ein riesiges Problem für die Schweiz»
Der grüne Ex-Nationalrat Jo Lang hat schon manche streitbare Zuger Firma scharf kritisiert. Im Fall Crypto AG fordert er eine PUK. Die Vorgänge sowie mögliche Verstrickungen von Politikern müssten ans Licht gebracht werden.
«Die Tatsache, dass Länder mithilfe von Geräten der Crypto AG ausspioniert wurden, überrascht mich nicht», sagt der ehemalige grüne Zuger Nationalrat Jo Lang im «Tagesgespräch» von Radio SRF. Dass jedoch auch Staaten wie Österreich oder der Vatikan «von dieser Zuger Firma verarscht worden sind», überrasche ihn sehr wohl.
Dass die Crypto AG während Jahrzehnten aus der Schweiz heraus manipulierte Chiffriergeräte in alle Welt verkauft habe, sei ein «riesiges Problem für die Schweiz», sagt Lang. Aus heutiger Sicht sei der aussenpolitische Einfluss der Crypto AG in den letzten Jahrzehnten grösser gewesen als jener der offiziellen Schweizer Aussenpolitik. Auch werde durch #cryptoleaks klar, dass die Schweizer Neutralität «sehr pro-amerikanisch» war.
Jo Lang – Kritiker dubioser Zuger Firmen
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Der Zuger Jo Lang sass ab 1982 zunächst für die Sozialistische Arbeiterpartei und ab 1986 für die Sozialistisch Grüne Alternative Zug im dortigen Stadtparlament. 1994 wechselte Lang in den Kantonsrat, von 2003 bis 2011 sass er im Nationalrat und politisierte dort in der grünen Fraktion. Auch war er einer der Mitgründer der Gruppe Schweiz ohne Armee (GsoA). Der Historiker hat sich in den vergangenen Jahrzenten intensiv mit Überwachung, Fichierung und der Schweiz als neutraler Staat auseinandergesetzt.
Mitte der 1990er-Jahre sei das Thema Crypto AG neben dem Rohstoffkonzern Glencore und dessen Gründer Marc Rich für ihn und seine politischen Zuger Mitstreiter eines der wichtigsten Themen gewesen, sagt Jo Lang. Damals sei die Firma aber vor allem wegen ihrer Zusammenarbeit mit fragwürdigen Regimes wie Südafrika oder Saudi-Arabien kritisiert worden.
Jo Lang verlangt eine PUK
Deshalb: «Von dem Skandal ist nicht nur die Crypto AG betroffen, sondern die ganze Schweiz mit ihrer Neutralität», sagt Lang. «Es braucht jetzt eine Parlamentarische Untersuchungskommission.» Nur eine PUK habe die Kompetenz, Personen aus der Bundesverwaltung verbindlich vorzuladen und unter Druck setzen.
Was ist eine PUK?
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Im Rahmen der Aufgabe der Oberaufsicht über den Bundesrat, die Bundesverwaltung, die eidgenössischen Gerichte und anderen Bundesorganen kann die Bundesversammlung eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) einsetzten. Der Nationalrat und der Ständerat haben das Recht, eine PUK einzusetzen, um Vorkommnisse von grosser Tragweite abzuklären.
PUK haben weitreichende Kontrollrechte, so dürfen sie Akten einsehen und Hearings (Befragung von Beamten, Anhörung von Fachleuten) durchführen, doch dabei ist die Untersuchung auf die Abklärung einer bestimmen Frage beschränkt.
Wichtig ist der Grundsatz, dass eine PUK kein Strafgericht und auch keine Disziplinarbehörde ist. Die Einsetzung erfolgt in der Form eines einfachen Bundesbeschlusses. Initiiert wird dieser Beschluss auf dem Weg einer parlamentarischen Initiative eines Ratsmitgliedes resp. einer Fraktion oder einer Kommissionsinitiative. Die Einsetzung erfolgt nach Anhörung des Bundesrats.
Die bisherigen PUK
Bisher wurden in der Schweiz vier Parlamentarische Untersuchungskommissionen eingesetzt:
1964: Untersuchung des fragwürdigen Vorgehens bei der Beschaffung von Mirage-Kampfflugzeugen («Mirage-Affäre»)
1989: Untersuchung – im Zusammenhang mit den Ereignissen um den vorzeitigen Rücktritt von Bundesrätin Elisabeth Kopp, der Amtsführung des EJPD (insb. der Bundesanwaltschaft), und des Vorgehens bei der Bekämpfung der Geldwäscherei und des internationalen Drogenhandels (vgl. «Fichen-Affäre»).
1990: Untersuchung der Tätigkeit des militärischen Nachrichtendienstes, der Führung von Personendateien im Eidg. Militärdepartement und des Vorhandenseins geheimer Widerstandsorganisationen und ausserordentlicher Nachrichtendienste (Geheimarmeen P-26 und P-27).
1996: Untersuchung der Organisations- und Führungsprobleme bei der Pensionskasse des Bundes und der Amtsführung des Eidgenössischen Finanzdepartementes.
(vimentis.ch)
Die Erkenntnisse aus #cryptoleaks bedeuteten auch, dass sich die offizielle Schweiz bei allen Ländern entschuldigen müsse, die unter dem Deckmantel der Schweizer Neutralität manipulierte Chiffriergeräte gekauft hätten, sagt Lang. «Das Allerdümmste wäre, jetzt so zu tun, als wäre gar nichts passiert.»
Der Historiker betont, dass der Verdacht, dass die Crypto AG ein Ableger der CIA sein könnte, schon 1995 in den Medien breit diskutiert worden sei. «Ich verstehe deshalb nicht, wieso der Schweizer Nachrichtendienst dem Verdacht nicht viel hartnäckiger nachgegangen ist.»
Köpfe von Bühler und Seiler sollen rollen
Lang übt denn auch scharfe Kritik am heutigen Vizedirektor des Schweizer Nachrichtendienstes Jürg Bühler, der in den 1990er-Jahren die Vorermittlungen der Bundespolizei gegen die Crypto AG leitete, sowie am heutigen Generalsekretär im Aussendepartement, Markus Seiler, der von 2009 bis 2017 Chef des Nachrichtendienstes war.
«Sie sind aus neutralitätspolitischen Gründen nicht mehr tragbar», so Lang. Sowohl Bühler als auch Seiler verträten eine einseitig-proamerikanische Sicht. «Unsere Geheimdienste waren keineswegs neutral.»
Deshalb ist #cryptoleaks keine Bagatelle
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#Cryptoleaks beweist erstmals, dass tatsächlich Geräte der Zuger Firma Crypto AG manipuliert worden sind. Aber nicht nur:
Erstmals zeigen Dokumente, dass die Nachrichtendienste CIA und BND (Deutschland) die Schweizer Firma Crypto AG in Besitz genommen hatten, um von der Schweiz aus Drittstaaten auszuspionieren.
Erstmals liegen auch Beweise zur Fülle der betroffenen Ereignisse vor (u.a. Falklandkrieg, Iran/Irak-Krieg, Putsch in Chile).
Erstmals gibt es Belege, die zeigen, dass Vertreter des Schweizer Geheimdienstes eingeweiht waren – bisherige Untersuchungen kamen zu einem anderen Ergebnis.
Aufgrund der Recherche der «Rundschau» hat der Bundesrat reagiert: Er sisitierte die Ausfuhrbewilligung von Geräten der Firma Crypto International AG (eine der zwei Nachfolgefirmen der Crypto AG) umgehend und veranlasste eine Untersuchung der Affäre durch Niklaus Oberholzer, einen ehemaligen Bundesrichter.
Ebenfalls als Folge von #Cryptoleaks fordern die linken Parteien SP und Grüne nun eine parlamentarische Untersuchungskommission PUK. Ausserdem ist auch Petra Gössi, die Parteipräsidentin der FDP, gegenüber einer PUK nicht abgeneigt. Jetzt stellt sich die Frage, ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundes die Neutralität der Schweiz verletzt haben. (perm)
Er könne sich nicht vorstellen, dass Politiker wie der langjährige Verwaltungsratspräsident der Crypto AG und ehemalige Zuger Regierungsrat und Nationalrat Georg Stucky nichts davon gewusst hätten, dass die Firma dem US- und deutschen Geheimdienst gehörte, so Lang weiter. «Die Crypto AG hat zu jenen Zuger Firmen gehört, die enge Kontakte ins Bürgertum hatten.»
Immer wieder Zuger Firmen im Zwielicht
Für Zug bedeute #cryptoleaks bloss einen weiteren Leak-Skandal, in den Zuger Firmen verstrickt sind: Panama-Leaks, Paradise-Leaks, Angola-Leaks. Immer seien Zuger Firmen im Fokus, wenn es um zumindest moralisch fragwürdige Machenschaften gehe. «Das wird so weitergehen – darüber darf man sich keine Illusionen machen», ist Lang überzeugt.
Und für die Schweizer Hightech-Industrie könne sich die Geheimdienstaffäre durchaus nachteilig auswirken: «Man kann der Schweiz nicht mehr trauen. Weder politisch noch technologisch», so der grüne Politiker.
Sendebezug: «Tagesgespräch» vom 12.2.2020
01:39:22
Video
Weltweite Spionage-Operation mit Schweizer Firma aufgedeckt
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