In Neuendorf im Kanton Solothurn liegt das Kinderheim Amitola. Was 1998 als kleine Pflegefamilie begann, ist heute ein Kinderheim mit verschiedenen Häusern und Wohngruppen, mit Kindern ab dem Babyalter bis 18 Jahre.
Die meisten Kinder und Jugendlichen bleiben vier bis sieben Jahre im Heim, bis sich die Situation zu Hause beruhigt hat. Weil das Heim vermehrt Anfragen für Kinderheimplätze hat, hat es nun ausgebaut. Warum die grosse Nachfrage?
Kinderheim Amitola Neuendorf
«Meistens sind die Eltern überfordert, deshalb sind die Kinder hier. Die Eltern haben eine psychische Erkrankung oder leiden an einer Sucht», erklärt Christa Misteli, Institutionsleiterin des Kinderheims Amitola in Neuendorf SO.
Total 22 Kinder sind im Heim in Neuendorf untergebracht, über 50 Angestellte arbeiten hier. Oft müsse es rasch gehen, erzählt Christa Misteli. «Wenn die Kesb anruft und sagt, wir sind in einer Wohnung, hier hat es drei Kinder, wir brauchen einen Platz für sie, nehmen wir sie auf, wenns geht.»
Einige Mütter besuchen ihr Kind regelmässig im Heim, andere haben die Kraft nicht.
Das Ziel sei es immer, dass die Kinder irgendwann nach Hause können. In der Zwischenzeit sind Besuche möglich: «Je nach Verfügung der Kesb ist es anders. Gewisse Kinder können jedes Wochenende heim, andere alle zwei Wochen. Einige Mütter besuchen ihr Kind dreimal pro Woche im Heim, andere haben das Interesse oder die Kraft dazu nicht», weiss Misteli aus Erfahrung. Die Arbeit mit den Eltern sei sehr zentral.
Mehr Probleme in Familien
Rund 200'000 Kinder und Jugendliche in der Schweiz leben in schwierigen familiären Verhältnissen. Immer wieder habe man Anfragen abweisen müssen, sagt die Solothurner Leiterin des Kinderheims.
«Ich habe das Gefühl, dass es zunimmt. Wir haben wöchentlich drei bis vier Anfragen. Klar, man schaut besser hin als früher. Zudem ist es für die Jugendlichen schwieriger geworden. Die Krisen auf der Welt, die Unsicherheit, das beschäftigt sie sehr.»
Die Zahlen geben Mistelis Gefühl recht. 2023 wurden in der Schweiz mehr Kinder fremdplatziert als im Jahr 2020. Waren es damals noch 4568 Kinder, waren es 2023 total 4884 sogenannte «Unterbringungen von Amtes wegen».
Seit fünf Jahren verrichtet Heimleiterin Christa Misteli ihre Büroarbeit in einem Container, der neben dem Heim aufgestellt wurde. So konnte sie im Wohnhaus mehr Platz schaffen für die Kinder. Neu gibt es seit dieser Woche im fertigen Neubau mehr Platz, ein Turnzimmer und auch ein Büro. Das Heim hat das Haus für sieben Millionen Franken gebaut, mit Spendengeldern und Hypotheken.
Eigene Schule für «untragbare» Kinder
Das Solothurner Kinderheim betreibt auch eine eigene Schule, für jene Kinder, die in der öffentlichen Schule «nicht tragbar» sind. «Wir hatten 2019 total fünf Kinder im Kindergarten im Dorf. Einige hatten Timeouts, einer durfte gar nicht mehr hin, einer nur zwei Stunden am Tag, einer randalierte in der Garderobe.»
Da habe das Heim beim Volksschulamt beantragt, eine eigene Schule auf die Beine zu stellen. «Die Bewilligung war rasch da», erzählt Christa Misteli.
Kraft für den oft schwierigen Alltag schöpft Christa Misteli aus Geschichten mit Happy End. Der Plättlileger, der auf der Baustelle des Heims tätig war, stellte sich als ehemaliger Bewohner heraus, der nun ein eigenes Geschäft führt. Oder der 32-jährige Mann, der anruft und erzählt, wie er im Kinderheim Amitola aufgewachsen sei und sich noch immer erinnere, wie am Eintrittstag ein «Schöggeli» auf dem Nachtkissen lag.