Die auf Ende Jahr zurücktretende Bundesrätin Simonetta Sommaruga hatte während vier Jahren als Uvek-Chefin auch das Klima unter sich. Mit dem CO2-Gesetz erlitt sie Mitte 2021 eine bedeutende Niederlage. Sie habe danach das Mögliche getan und die aktuelle Stimmung spreche mittlerweile vermehrt für ihre Ideen, sagt Politiloge Georg Lutz.
SRF News: War die Abstimmung zum CO2-Gesetz im Jahr 2021 Sommarugas grösste Niederlage?
Georg Lutz: Es war sicher die grösste Zäsur. Sommaruga hatte das Uvek übernommen, als die Weichen in der Energie bereits gestellt waren. Der Atomausstieg war beschlossen, aber auch die Energiestrategie und das Energiegesetz unter ihrer Vorgängerin Doris Leuthard waren 2017 vom Volk angenommen worden. Sommaruga musste das umsetzen – mit dem CO2-Gesetz als Kernstück, das dann knapp scheiterte.
Wie sehr hatte die Niederlage für den Bundesrat mit Sommaruga selbst zu tun?
Man kann normalerweise Siege und Niederlagen in Abstimmungen nicht mit einzelnen Bundesratsmitgliedern erklären. Es hatte vor allem daran gelegen, dass die Lenkungsabgabe beim Volk nicht mehrheitsfähig war. Insbesondere auch die FDP konnte ihre Anhängerschaft nicht hinter sich scharen. Aber es war vielleicht auch einer der Schwächen von Sommaruga, dass sie nicht im grossen Mass auch Wählerinnen und Wähler vor allem auch in anderen politischen Lagern überzeugen kann. Das hat bei diesem Abstimmungskampf nicht geholfen.
Nach dem CO2-Gesetz setzte der Bundesrat und damit auch Sommaruga auf eine neue Strategie – ohne neue Abgaben, aber mit Anreizen für klimafreundlichere Technologien. Wie erfolgsversprechend ist das?
Sommaruga hat sicher daraus gelernt, dass man nach Niederlagen nicht nochmals mit dem Gleichen kommen soll. Sie hat sehr pragmatisch die umstrittenen Kernstücke ausgeklammert und bei den potenziell mehrheitsfähigen Bereichen weitergemacht. Etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energien.
Die Zeit hat jetzt zu ihren Gunsten gespielt. Mit dem Ukraine-Krieg sind die Preise für viele Brennstoffe massiv gestiegen. Damit ist weit ins bürgerliche Lager hinein ein Verständnis entstanden, dass man nicht auf billige Brennstoffe aus dem Ausland setzen, sondern die Energieproduktion im Inland weiterentwickeln sollte. Das ist wohl auch die Ansicht von Sommaruga, und sie hätte hier eine gute Grundlage gehabt, das jetzt weiterzutreiben.
Wie sehr konnte Sommaruga im Klimadossier Akzente setzen?
Sommaruga konnte nach der grossen Niederlage beim CO2-Gesetz dank ihrer Hartnäckigkeit und Dossierfestigkeit die verschiedenen Reformen in kleineren Bereichen vorantreiben. Damit hat sie bereits im laufenden Jahr gewisse Erfolge erzielt. Das hätte sie auch weiterführen können, wenn sich nicht zurückgetreten wäre.
Bewegungen wie der Klimastreik kritisieren, die Politik agiere noch immer viel zu langsam in der Umweltpolitik und lastet auch Sommaruga Versäumnisse an. Ist die Kritik berechtigt?
Es gibt die globale Erwärmung und den Druck, Massnahmen zu beschliessen. Zugleich ist man gerade in der Schweiz mit der direkten Demokratie immer wieder auch im politischen Alltag, wo es Mehrheiten braucht. Ohne Mehrheiten für weitergehende Massnahmen muss man andere Wege suchen, denn so funktioniert die Schweizer Demokratie. Das kann man Sommaruga nicht als Fehler anlasten.
Das Gespräch führte Raphael Günther.