Die Corona-Fallzahlen in der Schweiz sind in den vergangenen Tagen stark angestiegen. Viele Menschen hierzulande sind beunruhigt. Einmal mehr wird klar: Das Coronavirus ist wohl oder übel Teil unseres Lebens und trägt damit nicht gerade zum Wohl der Gesellschaft bei.
Konflikte bis in die Familien
Denn die Pandemie und die Frage, wie ihr am besten begegnet werden soll, führt oft zu Konflikten und zu verhärteten Fronten. In der Politik, genauso wie in der Familie oder im Freundeskreis.
«Die Meinungen gehen extrem auseinander. Daraus ergeben sich automatisch viel mehr Diskussionen über die Massnahmen, auch innerhalb der Familie», sagt ein Mann auf der Strasse. Ein anderer ergänzt: «Es gibt schon Menschen, die da ganz anderer Meinung sind. Denen geht man eher aus dem Weg, um unangenehme Diskussionen zu vermeiden.»
Das Thema Coronavirus lässt die Emotionen hochkochen, auch in den Kommentarspalten. Olivia Fischer, Community-Redaktorin bei SRF News, beobachtet diese Diskussionen täglich. «Gerade bei Corona-Themen fällt auf, dass kein Konsens gefunden wird. Es kann keine Diskussion entstehen, man ist entweder dafür oder dagegen und hat kein Verständnis für die andere Seite.»
«Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt»
Doch woher kommt diese Spaltung der Gesellschaft, diese stete Gefahr einer Konfrontation? Ein Grund sei die Tatsache, dass der Staat bei den Massnahmen wie dem Shutdown sehr schnell handelte – ohne Einbezug der Bevölkerung. Das sagt die Soziologin Katja Rost. Das sei ungewohnt für die Bevölkerung.
Rost: «Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt, deshalb fühlen wir uns ungerecht behandelt. Vor allem, wenn man anderer Meinung ist.» Das sei gerade für private Gespräche sehr schwierig, weil schon ein politischer Konsens vorherrscht. Rost: «Entweder geht man mit diesem Konsens oder man ist dagegen. Man hat also kein Gestaltungsspielraum mehr. Und das führt auf privater Ebene oft zu verhärteten Fronten.»
Matthias Holenstein ist Geschäftsführer der Stiftung Risiko-Dialog und beschäftigt sich mit Risikokommunikation und gesellschaftlichem Wandel. Für ihn ist klar: Die Tatsache, dass niemand weiss, wie es weitergeht, belastet die Menschen zusehends: «Zum einen ist die Pandemie nicht irgendwann mal fertig, sondern wir alle wissen es nicht, es gibt kein Ende in Aussicht. Das andere ist, dass sich eine gewisse Ermüdung breit macht. Man hat jetzt all diese Massnahmen schon eine Weile ertragen, und das Positive des normalen Lebens geriet in den Hintergrund.»
Es macht sich eine gewisse Ermüdung breit. Man hat jetzt all diese Massnahmen schon eine Weile ertragen, und das Positive des normalen Lebens geriet in den Hintergrund.
Auch den Menschen auf der Strasse macht die Situation zu schaffen: «Man ist einfach nicht sich selber, weil man Angst hat», sagt eine Frau. Eine andere erzählt: «Wenn man Menschen sieht, denkt man nicht mehr an den Menschen, sondern an Abstand.»
Matthias Holenstein: «Es ist wichtig zu sehen, dass Menschen sehr unterschiedlich in die Krise kamen. Die einen bringen sehr viel Ressourcen und Wissen mit und können mit dieser Situation einfacher umgehen. Andere sind vielleicht schon bereits in einer schwierigen Situation und möchten so Unterstützung haben.»
«Nicht nur seinen eigenen Standpunkt sehen»
Die Corona-Krise ist eine Gesellschaftskrise geworden, mit Folgen bis tief in die Familie. Doch wie soll man damit umgehen? Die Menschen auf der Strasse haben eine Lösung gefunden. Eine Person sagt: «Das wichtigste finde ich, dass man die anderen Standpunkte akzeptiert. Dass man also versucht, nicht nur noch seinen eigenen Standpunkt zu sehen.»