Die Sanktionen des Westens isolieren Russland zusehends von der Weltwirtschaft. Aber sie haben auch Folgen für den Westen – und die Schweiz. Etwa, dass die Energiepreise noch stärker steigen. Erdgas ist hierzulande seit Beginn dieses Jahres je nach Region bis zu drei Mal teurer geworden. Energieexperte René Baggenstos erklärt, was die geopolitischen Verwerfungen für Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten bedeuten.
SRF News: Wie kommt der Strompreis überhaupt zustande?
René Baggenstos: Er hängt einerseits davon ab, wie viel die CO2-Zertifikate kosten. Dann davon, wie teuer der Gaspreis ist und schliesslich davon, wie der Wirkungsgrad des Kraftwerks ist. Wenn es beim Gaspreis eine Verdreifachung gibt und sich der CO2-Preis auch fast verdreifacht, wird auch der Strom dreimal teurer.
Aber die Schweiz bezieht ihren Strom ja gar nicht hauptsächlich aus Erdgas. Weshalb trifft es die Schweiz nun auch?
Die Schweiz ist in den europäischen Strommarkt eingebunden. Nur schon, weil wir gar nicht genügend Strom haben, um den ganzjährigen Bedarf selbst zu decken. Die Schweiz steht vor allem mit Deutschland in intensiven Verhandlungen, aber auch mit Frankreich. Das bedeutet: Wir sind davon abhängig, dass in Europa die gleichen Energiepreise herrschen wie in der Schweiz.
Der Strompreis selbst hängt wiederum davon ab, welches Kraftwerk benötigt wird, um die Leistung zur Verfügung zu stellen, die der Markt gerade verlangt. Im Moment werden Gaskraftwerke benötigt, um die Nachfrage zu decken. Und weil die Gaskraftwerke die letzten sind, die benötigt werden, bestimmen sie den Preis. Deswegen ist der Erdgaspreis auch direkt im Strompreis ablesbar.
Was bedeuten die geopolitischen Verwerfungen für die Schweizer Konsumenten?
Sie bedeuten, dass es grundsätzlich teurer wird. Die Stromversorger in der Schweiz müssen den Strom irgendwo einkaufen, das betrifft die Grundversorger wie auch die freien Händler. Hier ist der Marktpreis entscheidend. Bei der Grundversorgung ist es zudem so: Wenn ein Elektrizitätswerk selbst noch Produktionsanlagen hat, gibt der Schweizer Gesetzgeber vor, wie diese «Gestehungskosten» berechnet werden müssen. Der Grundversorger kann dann nicht den effektiven Marktpreis verlangen, sondern muss den Strom zu dem Preis verkaufen, der gesetzlich vorgegeben ist.
Wer in einem Gebiet mit einem Netzbetreiber wohnt, der viele Produktionsanlagen hat, bekommt dadurch tendenziell einen günstigeren Strompreis. Wer in einem Gebiet wohnt, in dem ein Elektrizitätswerk keine eigene Produktion hat, muss mit einem höheren Marktpreis leben. In der aktuellen Situation mit der Ukraine sind wir aber effektiv in der Situation, dass die Marktpreise höher sein werden als die Gestehungskosten. Das ist aber eine absolute Ausnahmesituation. Im Normalfall ist es genau umgekehrt: Da sind die Gestehungskosten höher als der Marktpreis.
Das Gespräch führte Adam Fehr.