Die Kriminalität in der Schweiz steigt an. Bei den beschuldigten Personen gibt es eine Zunahme in der Gruppe «übrige Ausländer» – darunter Kriminaltouristinnen und -touristen. Claudio Martelli vom Staatssekretariat für Migration erklärt, wie das SEM diese Zahlen einordnet.
SRF News: Viele empfinden, dass «die Ausländer» krimineller seien – obwohl die Statistik differenziert ausfällt. Wie sehen Sie das?
Claudio Martelli: Sicherheit ist ein subjektives Gefühl. Die Sorgen der Bevölkerung verdienen es, von Politik und Behörden ernst genommen zu werden.
Sind die Ängste berechtigt?
Ich persönlich fühle mich in der Schweiz sehr sicher. Aber ich verstehe, dass Menschen durch die Berichterstattung zu Straftaten oder eigene Erfahrungen beunruhigt sind. Das darf man nicht einfach abtun.
Immer mehr Politikerinnen und Politiker fordern Verschärfungen, zum Beispiel bei Mehrfachtätern im Asylbereich.
Wir setzen bereits Massnahmen um: etwa die 24-Stunden-Verfahren oder die Bemühungen, dass Menschen ohne Schutzanspruch gar nicht erst einreisen.
Neu wollen wir eine Taskforce gegen Intensivtäter lancieren – geleitet von einer Person aus einem kantonalen Migrationsamt und einer Vertretung des SEM. Ein klares Signal für eine enge Zusammenarbeit von Bund und Kantonen.
Warum braucht es diese Taskforce?
Wir haben es mit Prozessen in Strafvollzug, Migration und Polizei zu tun – Bereiche mit je eigenen Zuständigkeiten. Diese Behörden müssen noch enger zusammenarbeiten, gerade weil viele Täter mobil und kantonsübergreifend agieren. Die Taskforce verbessert die Koordination.
Gegen wen richtet sich die Taskforce?
Einen kleinen, aber problematischen Kreis: Personen, die das Asylsystem gezielt missbrauchen, um möglichst lange in der Schweiz zu bleiben – und hier wiederholt Straftaten begehen.
Warum weist die Kriminalstatistik die Herkunft aus? In anderen Bereichen macht man das nicht.
Wichtig ist, wie man mit den Zahlen umgeht. Wer pauschalisiert, liegt falsch. Die Statistik zeigt: Über 95 Prozent der Asylbevölkerung begehen kein Delikt und sind auch nicht in dieser Statistik ersichtlich. Aber: Die Statistik kann Hinweise auf Handlungsbedarf liefern. Aktuell sehen wir einen Anstieg bei Straffälligen ohne geregelten Aufenthalt – oft Personen mit negativem Asylentscheid. Für uns als Asylbehörde ist das zentral.
Die Bundesasylzentren stehen immer wieder in der Kritik – etwa wegen Gewaltvorwürfen. Auch Amnesty hat berichtet. Was sagen Sie dazu?
Unsere Zentren sind sicher und menschenwürdig. In jedem gibt es eine Fachperson für Sicherheit und Gewaltprävention sowie ausgebildete Sozialpädagoginnen und -pädagogen für unbegleitete Minderjährige. Zudem haben wir anonyme Meldestellen eingerichtet.
Von einem systemischen Gewaltproblem kann keine Rede sein.
Die nationale Kommission zur Verhütung von Folter führt unangekündigte Kontrollen durch – und gibt uns gute Noten. Von einem systemischen Gewaltproblem kann keine Rede sein.
In der Asylbevölkerung gab es keine nennenswerte Zunahme der Beschuldigten (+0.1%). Aber in der Gruppe «übrige Ausländer/innen» – wer ist das genau?
Zum einen abgewiesene Asylsuchende, zum anderen sogenannte Kriminaltouristen: organisierte Einbrecherbanden aus dem Ausland, die gezielt Delikte begehen und wieder verschwinden.
Braucht es auch neue Gesetze für mehr Sicherheit?
Vielleicht – aber es müssen die richtigen sein. Die Taskforce soll dabei helfen: Nach zwölf Monaten ziehen wir Bilanz und eruieren, wo es gezielt gesetzgeberischen Handlungsbedarf gibt.
Das Gespräch führte Sofiya Miroshnyk.