Die Berner Spitalgruppe ist im ersten Halbjahr 2024 noch tiefer in die roten Zahlen gerutscht. Der Halbjahresverlust verdoppelte sich gegenüber dem Vorjahr von 34.4 Mio. Franken auf 68.7 Mio. Franken.
Eigentlich wurde mit einem halb so grossen Verlust gerechnet. Der Verwaltungsratspräsident und vorübergehende Co-Direktor Bernhard Pulver ist überrascht: «Damit haben wir nicht gerechnet. Als wir im Februar gesehen haben, dass die Zahlen schlechter sind als erwartet, haben wir sofort einen Plan B lanciert.» Es seien Sparmassnahmen ausgearbeitet worden für den Fall, dass der finanzielle Rückgang nicht nur zufällig und vorübergehend ist.
Negativschlagzeilen häufen sich
Zuletzt hatte die Inselgruppe vor wenigen Monaten erneut für Negativschlagzeilen gesorgt. Nachdem Mitarbeitende eine Mobbingkultur und Führungsprobleme angeprangert hatten, mussten der Direktor Uwe Jocham und sein Stellvertreter Urs Mosimann gehen.
Vergangenes Jahr wurden in Münsingen und Bern-Tiefenau zudem zwei Spitalstandorte geschlossen. Der Grund waren Sparmassnahmen. Beim Inselspital erhoffte man sich, mehr Patientinnen und Patienten von diesen Standorten übernehmen zu können. Sie hätten der Spitalgruppe erhalten bleiben sollen.
«Das war nicht der Fall. Es hat eigentlich fast niemand gewechselt», sagt Pulver. In der Öffentlichkeit habe es viel Kritik gegeben. Patientinnen und Patienten hätten sich gefragt, ob der Gang ins Inselspital noch sinnvoll sei. «Das alles zusammen hat zu einem Patientenrückgang geführt.»
Im ersten Halbjahr 2024 wurden 26'772 akutstationäre Patientinnen und Patienten behandelt. Dies entspricht einer Abnahme um 9.4 Prozent. Die Anzahl ambulanter Konsultationen ist um 10 Prozent auf 418'075 gesunken.
Meines Erachtens ist die Lage dramatisch, vor allem weil es nicht leicht sein wird, da herauszukommen.
Gesundheitsökonom Heinz Locher ist wegen der Situation alarmiert: «Meines Erachtens ist die Lage dramatisch, vor allem weil es nicht leicht sein wird, da herauszukommen.» Es sei ein strukturelles Defizit, das andauern werde.
Die Berner Politik gibt sich zuversichtlicher. In den vergangenen Jahren habe die Spitalführung viel investiert, sagt der Berner Gesundheitsdirektor Pierre-Alain Schnegg. Es gab Neubauten und man haben bei der Digitalisierung vorwärtsgemacht. «Wenn Sie gute Ärzte ausbilden wollen, wenn Sie eine gute medizinische Fakultät wollen, dann brauchen Sie eine Universitätsklinik.» Das würden eben Geld kosten.
«Es braucht dringend eine Verzichtsplanung»
Aus Sicht von Gesundheitsökonom Locher braucht es dringend Massnahmen. «Man muss oben anfangen: Der Auftrag an das Inselspital muss neu definiert werden». Die Spitalgruppe sei nur in einzelnen Gebieten führend – weniger Ehrgeiz sei angezeigt. «Es braucht dringend eine Verzichtsplanung.» Das Inselspital müsse zu einem kleineren – einer Art Kantonspital mit gewissen Spezialgebieten – redimensioniert werden, so Locher. «Man kann keinen Lamborghini fahren, wenn man sich eigentlich nur einen Fiat leisten kann.»
Wir dürfen jetzt nicht unsere Leistungen im Gesundheitswesen zurückfahren.
Davon hält man bei der Inselgruppe wenig. «Bern gehört zu den besten medizinischen Fakultäten in Europa. Wir dürfen jetzt nicht unsere Leistungen im Gesundheitswesen zurückfahren. Wir müssen sie korrekt finanzieren», so Verwaltungsratspräsident Pulver. «Es braucht nachhaltige Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen, etwa bei den Tarifen, damit man nicht von einer finanziellen Krise in die nächste schlittert.»