Mit der Genom-Editierung kann das Erbgut von Organismen verändert werden. Ein Werkzeug dafür ist die Genschere CRISPR/Cas, die DNA durchtrennen und einzelne DNA-Bausteine modifizieren kann.
Von dieser Gentechnologie versprechen sich Befürworter viel, unter anderem die Lösung für den Welthunger. Die EU will sie nun erleichtern. Doch die Genom-Editierung birgt aus Sicht der Gegnerinnen viele Risiken – so auch in den Augen von Agrarökologin Angelika Hilbeck.
SRF News: Was sehen Sie kritisch an den Änderungen, wie sie die EU für die Genom-Editierung vorschlägt?
Angelika Hilbeck: Es ist eine ganze Liste von Punkten, die ich kritisch sehe. Angefangen damit, dass man keine Sicherheitsabklärung mehr machen muss, dass die vorgenommenen Veränderungen im Genom auch tatsächlich diese entsprechende Eigenschaft haben, die hinterher beworben wird. Es geht um Produktwahrheit und Offenheit bei den Eingriffen.
Man kann nicht vorhersehen, was bei einer Genom-Editierung passiert, weil man nicht weiss, in welchen Gesamtkontext man eingreift. Wir wissen, dass Genome, also die Gesamtheit der Erbanlagen von Organismen, in einem fein abgestimmten Netzwerk zusammenarbeiten. Gentechniker greifen nun in einen Teil davon ein, den sie kennen, aber sie kennen nicht den gesamten Kontext.
Wenn man in genomische Kontexte eingreift, kann alles bis nichts schiefgehen. Es können Allergene entstehen, bestimmte metabolische Prozesse können unterbrochen werden und sich verändern.
Was halten Sie von den Verfahren in Hinblick auf ihr wirtschaftliches Potenzial?
Diese Verfahren haben ein wirtschaftliches Potenzial in den vorgeschalteten Prozessen, das heisst in der Patentierung. Seit Beginn der Gentechnik wird uns versprochen, dass wir Wunderpflanzen und Wunderlösungen zu erwarten haben, die uns den Welthunger und die Biodiversitätskrise lösen, den Klimawandel bekämpfen und so weiter. Es hat nun seit 50 Jahren nichts dergleichen stattgefunden. Das heisst, es wird unglaublich viel versprochen, aber nur sehr wenige Produkte schaffen es überhaupt jemals auf den Markt.
Die Patentierung ist der Schlüsselfaktor, warum die neuen Technologien lukrativ sind. Denn die Instrumente und Protokolle sind alle patentiert. Das heisst, mit den Methoden und Werkzeugen wird unglaublich viel Geld verdient.
Sehen Sie auch Chancen dieser Technologie?
Nach 25 Jahren Forschungskarriere auf dem Gebiet sehe ich inzwischen keine Chancen mehr – schon gar nicht, wenn es um Anpassungsleistungen an die Umwelt geht. Das sind so komplexe Prozesse, die von Hunderten von Genen gesteuert oder beeinflusst werden. Da ist die Gentechnik einfach limitiert. Sie kann nur sehr einfache Gene beeinflussen und Eigenschaften, die über einzelne Gene ausgeprägt werden. Das ist nicht ausreichend, um ein solches Netzwerk in seiner Leistungsfähigkeit anzupassen, damit es sich an Klimawandel und dergleichen anpassen kann. Das funktioniert nicht mit kleinen Eingriffen.
Die Technologie wird oft mit Informatik verglichen. Was halten Sie davon?
Organismen sind keine Computer. Organismen funktionieren nicht wie ein Handy oder Laptop. Die DNA ist kein Computercode, und die Zellen lassen sich nicht ohne weiteres umprogrammieren. Ich weiss auch, dass diese Begrifflichkeiten gewählt wurden, um Bilder zu erzeugen, um sie vermarkten zu können, um Hoffnungen und Potenziale zu schüren. Das ist Unfug. Es geschieht offenbar auch nicht.
Das Gespräch führte Manuela Siegert.