Patrick S. leidet an einem Geburtsgebrechen und ist auf Krücken angewiesen. Mit seinen Gehhilfen ist er aber völlig selbständig und gerne unterwegs. Normalerweise kein Problem. Im Kino zum Beispiel verstaut er die Krücken unter dem Sitz, und niemand stört sich daran.
Nicht so im Kultur- und Kongresszentrum Luzern (KKL). Im Konzertsaal nehmen ihm KKL-Angestellte seine Krücken weg. Jedes Mal. Das störte Patrick S. schon lange: «Schliesslich fragte ich nach dem Grund. Der Platzanweiser antwortete, es sei aus Sicherheitsgründen.»
Andere Institutionen stören sich nicht an Krücken
Muss das sein? Das KKL antwortet lapidar: «Gäste mit Beeinträchtigungen werden im KKL Luzern von unseren Mitarbeitern vor Ort im Umfang ihrer Möglichkeiten betreut. Pro Türe befindet sich permanent ein Mitarbeiter im Konzertsaal, so dass unsere Konzertgäste hier zu keinem Zeitpunkt auf sich alleine gestellt sind.»
Für Patrick S. geht das nicht auf: «Wieso soll es sicherer sein, wenn ich keine Stöcke habe? Wenn wirklich etwas passiert, der Saal evakuiert werden muss, dann bin ich im Weg und kann ich gar nichts machen.»
Tatsache ist auch: In der Nähe des KKL gibt es zwei weitere Kultur-Institutionen: Das Verkehrshaus und das Theater Luzern. In beiden sind Krücken im Saal erlaubt. Ebenso Ja zu Krücken sagen das Opernhaus Zürich, die Tonhalle Zürich, das Theater Basel und das Theater Bern. Das zeigt eine «Kassensturz»-Umfrage.
Purer Stress für Blindenhunde
Silvan Rüssli kann die Argumentation des KKL nicht nachvollziehen. Bei Pro Infirmis leitet er die Fachstelle «Kultur Inklusiv». Eine Schnittstelle zwischen Menschen mit Beeinträchtigung und Kultur-Institutionen. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Krücke in einem grossen Konzertsaal stört.» Ausserdem sein eine Krücke ein zentrales Hilfsmittel. «Nimmt man sie weg, werden Betroffene erst recht unsicher», so Rüssli.
Besonders zu kämpfen haben beeinträchtigte Menschen, die zur Unterstützung einen Blinden- oder Assistenzhund dabei haben. Das KKL Luzern verbannt nämlich auch die helfenden Vierbeiner vor die Tür. Silvan Rüssli weiss, das ist Stress für Mensch und Tier: «Die Betroffenen fühlen sich ohne Hund unsicher. Blindenhunde sind zudem geschult, dass sie ihren Schützling nicht verlassen. Kann er nicht an seiner Seite bleiben, ist das für den Hund purer Stress.»
Lösung wird gesucht
Einen stressfreien Besuch im KKL wünscht sich auch Patrick S.: «Ich brauche keine Hilfe. Sie sollen mir einfach nur die Stöcke lassen, sonst brauche ich nichts.»
Ein bescheidener Wunsch an die Adresse des KKL. Und bestimmt nicht zu viel verlangt. «Kassensturz» hakt nochmals nach, bei Jürg Schär, Leiter Gebäude und Sicherheit im KKL. Im Interview mit Ueli Schmezer gesteht er ein: «Wir sind uns des Problems bewusst. Wir wollen eine Lösung finden mit speziellen Sitzplätzen für Menschen mit Krücken oder Blindenhunden.»