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Warum Long-Covid alle etwas angeht
Aus Regionaljournal Zürich Schaffhausen vom 04.04.2022. Bild: SRF
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Langzeiterkrankung Long-Covid «Long-Covid fordert die ganze Gesellschaft heraus»

Seit Anfang April sind alle Corona-Massnahmen aufgehoben. Es scheint, als wäre das Virus schon weit weg. Doch das ist es längst nicht für alle. Die Folgen von Long-Covid würden erst jetzt sichtbar, sagt Philippe Luchsinger, Präsident des Schweizerischen Haus- und Kinderärzteverbands (mfe). Er warnt davor, die Krankheit auf die leichte Schulter zu nehmen und fordert eine bessere Erforschung von Long-Covid.

Philippe Luchsinger

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Der Allgemeinmediziner Philippe Luchsinger ist Präsident des Verbands der Haus- und Kinderärzte (mfe). Er arbeitet mit anderen Ärzten und Ärztinnen in einer Praxis in Affoltern am Albis.

SRF News: In Diskussionen über Corona gehen die möglichen Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung häufig vergessen, weshalb ist das so?

Philippe Luchsinger: Zuerst fokussierte man auf die Gefährlichkeit der Erkrankung. Als viele Menschen auf den Intensivstationen lagen, viele auch gestorben sind, wurde zunächst nicht realisiert, dass es noch eine andere Form von Covid-19 gibt. Eine Form, von der man nicht weiss, wie man sich schützen kann. Deshalb sagen wir den Leuten, sie sollen aufpassen. Es kann wirklich jeden treffen, auch wer noch so gesund ist oder der Meinung, sein Immunsystem sei «sattelfest».

Langzeitfolgen von Covid-19

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Als Langzeitfolgen von Covid-19 zählen hauptsächlich folgende Symptome:

  • Übermässige Müdigkeit und Erschöpfung
  • Kopfschmerzen
  • Husten
  • Kurzatmigkeit und Atembeschwerden
  • Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn
  • Schlaflosigkeit
  • Muskelermüdung/Muskelschmerzen
  • Schmerzen in der Brust
  • Intermittierendes Fieber
  • Hautausschläge
  • Beschwerden nach körperlicher Anstrengung

Quelle: BAG

Weshalb weiss man denn noch so wenig über Long-Covid?

Die Forschung ist einfach noch nicht so weit. Man muss die Menschen, die an Long-Covid erkranken, kollektiv erfassen. Sie beobachten und beforschen in dem Sinn, dass es die Faktoren herauszufinden gilt, die für Long-Covid verantwortlich sind. Dazu braucht es vermutlich Untersuchungen, die bis jetzt noch gar nicht gemacht wurden.

Es kann wirklich jeden treffen.
Autor: Philippe Luchsinger

Wir sind also ganz am Anfang einer wichtigen Forschung, die von verschiedenen Spezialisten vorangetrieben werden muss. Denn es sind ja auch ganz verschiedene Organe betroffen: Das Hirn, die Lunge, das Herz, Gefässe etc. Es müssen alle zusammensitzen und herausfinden, wo die Gründe liegen. Und danach gilt es die wichtigste Frage zu beantworten: Wie kommt der erkrankte Patient da wieder raus?

Sie sind selbst Hausarzt, was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit Long-Covid?

Vor allem die Erfahrung, dass es die betroffenen Patientinnen und Patienten sehr schwer haben, sich zu behaupten in der Gesellschaft. Zu sagen: «Ich habe nicht einfach schlechte Laune, ich bin krank». Wie bei vielen anderen Krankheiten, die chronisch verlaufen und schwer fassbar sind, ist es sehr schwierig Akzeptanz zu finden. Sei es in der Gesellschaft, im Umfeld, aber auch von Versicherungen.

Wenn es um Long-Covid geht, wird häufig von Einzelschicksalen gesprochen. Wissenschaftliche Studien und auch das BAG sprechen davon, dass jede und jeder Fünfte, der an Covid erkrankt ist, auch von Long-Covid betroffen sein könnte. In der Schweiz wären das auf die Gesamtbevölkerung gerechnet 1.7 Millionen Menschen. Was kommt da auf die Gesellschaft zu?

Wenn die Zahlen tatsächlich so ausfallen, wird es für die Gesellschaft eine ganz schwierige Situation geben. Von der wirtschaftlichen Seite her, weil die Betroffenen vielleicht nicht mehr arbeiten können, dazu sind Mehrleistungen von den Krankenkassen zu erwarten. Später kommen Kosten für die Reintegration dazu, das betrifft die IV. Schliesslich wird es die ganze Gesellschaft fordern. Meine Hoffnung ist, dass diese Hochrechnungen nicht ganz stimmen und wir einfacher davonkommen.

Long-Covid oder nicht?

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Gewisse Symptome treten von Anfang an auf, andere manifestieren sich erst Wochen später. Eine schnelle Verschlechterung der Symptome bei Anstrengung, plötzliche starke Schlafstörungen, Vergesslichkeit oder Hirnnebel sollte man zügig ärztlich abklären lassen.

Standardtests zur Long-Covid-Diagnose gibt es zwar noch nicht. Folgende Untersuchungen können aber wichtige Erkenntnisse liefern.

  • Scans: Gewisse Veränderungen, Entzündungen oder Vernarbungen in der Lunge oder im Herz können etwa durch Röntgen, Ultraschall, CT oder MRI nachgewiesen werden. 
  • Lungenleistungstest: Mit einem Lungenfunktionstest und einem Leistungstest kann festgestellt werden, ob die Lunge in ihrer Funktion und/oder Leistung eingeschränkt ist.
    Weitere Messwerte: Ein Abhören der Lunge und eine Überprüfung von Entzündungsmarkern, Sauerstoffsättigung, Blutdruck und Herzfrequenz können bei einer Diagnose helfen.
  • Autoantikörper nachweisen: Einige Labore können die Autoantikörper bestimmen, welche im Verdacht stehen, die roten Blutkörperchen unflexibel zu machen. Dies wird zurzeit in der Schweiz noch nicht angeboten und muss auch selber bezahlt werden.

Bei der IV kann man von rund 2000 Anmeldungen ausgehen bis jetzt, pro Monat kommen etwa 150 Fälle dazu. Wie dramatisch ist die Situation?

Sie ist im Moment für die Betroffenen dramatisch, für die Gesellschaft noch nicht. Was wir nicht wissen: Wie sich Long-Covid noch ausweiten wird. Denn beeinflussen können wir es bis jetzt nur, indem wir uns vor Covid schützen, sonst nicht.

Das Gespräch führte Pascal Kaiser.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 03.04.2022, 17:30 Uhr ; 

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