Der Bundesrat gibt sich optimistisch und forciert weitere Lockerungen. Gesundheitsminister Alain Berset hat gegenüber SRF Stellung genommen – zur Grösse des Risikos, das wir dabei eingehen, zur Maskenpflicht und zum Kinderschutz.
SRF News: Herr Bundesrat, wie oft waren Sie in den letzten Wochen auf einer Restaurantterrasse?
Alain Berset: Puh, noch gar nie. Wir arbeiten so viel, ich hatte keine Gelegenheit in den letzten Wochen. Vielleicht hatte es aber auch noch mit dem Wetter zu tun.
Im Juni möchten Sie die Innenbereiche öffnen, freuen Sie sich darauf?
Ja sehr, aber nicht für mich, sondern vor allem für die Gesellschaft und die betroffenen Menschen aus der Branche, die so lange warten mussten. Sie sind schon unterstützt worden, aber die Leute wollen doch einfach nur wieder arbeiten können. Diese Rückkehr zur Normalität ist eine gute Sache. Es ist aber auch ein Risiko, dass muss man sehen. Wir sind weit und breit die einzigen, die das so früh tun. Aber wir glauben, die heutige Situation erlaubt es.
In Innenräumen werden wir mit den Masken konsequent sein müssen.
Mir ist aufgefallen, von allen Lockerungen, die sie präsentierten, waren die Restaurant-Öffnungen die letzte. Es ist Ihnen nicht ganz wohl dabei.
Ja, doch – aber wir haben noch nicht Ende Mai. Wenn die Zahlen von heute entscheidend gewesen wären, würde es nicht schlecht aussehen. Nun hoffen wir schwer, dass es Ende des Monats auch gut aussehen wird. Es ist aber sehr wichtig, dass alle mitmachen und die Schutzkonzepte einhalten.
Wir haben aber auch gemerkt: Die Maske draussen auf der Terrasse – das kann man aufheben, da ist es viel weniger riskant. Aber in Innenräumen werden wir bei den Masken ziemlich konsequent handeln müssen.
Die wissenschaftliche Taskforce ist skeptisch. Sie sagt, es ist eigentlich noch zu früh für Lockerungen in Innenräumen.
Ich kann das verstehen. Die Taskforce war auch sehr besorgt Mitte April, als der Bundesrat die letzten Lockerungen beschlossen hatte. Wir haben immer gesagt, wir gehen ein gewisses Risiko ein. Es könnte also auch nicht so gut ausgehen. Aber der Appell an die Bevölkerung lautet: Wir müssen zusammen so weitermachen. Die Massnahmen weiter gut beachten, die uns schützen.
Viele Leute haben einen Impftermin für bald, sogar für sehr bald. Oder schon einen zweiten Impftermin. Und es ist wichtig, diesen Leuten zu sagen: Es ist jetzt nicht der Moment, sich anzustecken. Sonst bekommen wir auch Probleme bei der Impfkampagne.
Dann ist klar, dass die Restriktionen und Schliessungen nicht mehr zu rechtfertigen sind.
Sie haben heute auch Ihr Drei-Phasen-Modell verabschiedet. Dieses sieht vor, dass die Normalisierungsphase – also dann, wenn die meisten Massnahmen deutlich gelockert werden sollen – im August beginnt. Schaffen wir das?
Es wird der Fall sein ab dem Moment, wenn alle Impfwilligen in der Schweiz eine Impfung bekommen haben. Und wir gehen davon aus, dass das im Sommer der Fall sein wird. Dann ist klar, dass die Restriktionen und Schliessungen nicht mehr zu rechtfertigen sind.
Sorgen macht die Tatsache, dass Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre bis dahin sicher noch nicht geimpft sind. Das ist vielleicht ein bisschen die Achillesferse des Systems.
Das glaube ich nicht. Die Kinder sind gut geschützt, sie sind keine Risikogruppen. Und die Testungen in den Schulen und gute Schutzkonzepte sind wichtig bis zum Moment, an dem auch impfwillige Kinder oder ihre Eltern entscheiden können, sich impfen zu lassen. Das wird auch bald sein. Für Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 18 wird es bald, im Sommer oder im Spätsommer, möglich sein. Für die Kleineren später.
Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.