Der Stein des Anstosses: Auf dem ehemaligen Papieri-Areal in Utzensdorf (BE) planen der Online-Händler Digitec Galaxus und die Post ein grosses Logistikzentrum. Der geplante Bau befindet sich zwar auf Berner Boden, betroffen wäre davon aber auch der Kanton Solothurn. Vor allem für die Gemeinde Gerlafingen würde das Projekt massiven Mehrverkehr bedeuten. Laut Planung würden an die 1000 Fahrzeuge pro Tag das Logistikzentrum ansteuern, 300 davon wären Lastwagen.
Die Kritik aus Solothurn: Bei der Planung des Logistikzentrums in Utzensdorf wurde der Kanton Solothurn nicht miteinbezogen. Der Kanton Bern schrieb dem Projekt «nur» eine regionale Bedeutung zu und hielt es darum nicht für nötig, das Projekt in den kantonalen Richtplan aufzunehmen. Das sorgte im Kantonsrat für harsche Kritik. Erst nach viel Widerstand entschied der Kanton Bern, dass es für das Bauvorhaben doch eine Anpassung im Richtplan braucht.
Krux mit der Raumplanungspflicht: Eigentlich gibt es bereits ein Bundesgesetz, das vorschreibt, dass grössere Bauprojekte mit «gewichtigen Auswirkungen» im kantonalen Richtplan erfasst werden müssen. Eine solche Anpassung muss der Bundesrat jeweils genehmigen. Bevor er das tut, lädt er die Nachbarkantone zu einer Stellungnahme ein und gibt ihnen damit ein Mitspracherecht. Was genau als «Vorhaben mit gewichtigen Auswirkungen» gilt und was nicht – da gibt es jedoch auf kantonaler Ebene einen grossen Spielraum.
Krux mit dem Mehrverkehr: Dieser Spielraum lässt sich gut am «Verkehr» aufzeigen: Im Kanton Solothurn gilt ein Projekt als verkehrsintensiv, wenn täglich 1500 Personenwagen oder 400 Last- und Lieferwagen passieren. Im Kanton Bern gibt es die Unterscheidung zwischen Personen- und Güterverkehr nicht. Projekte gelten ab 2000 Fahrten pro Tag als verkehrsintensiv. Aus Berner Sicht wäre für das Logistikzentrum in Utzensdorf also kein Richtplanverfahren nötig gewesen, aus Solothurner Sicht schon.
Der Lösungsvorschlag: Das Solothurner Parlament will, dass Nachbarkantone ein solches Richtplanverfahren einfordern dürfen. Dieses «Antragsrecht» soll im Bundesgesetz verankert werden. So wäre sichergestellt, dass Nachbarkantone bei Projekten, die grössere Auswirkungen haben, frühzeitig miteinbezogen werden. Dabei soll jeweils die tiefste Messlatte gelten. Am Beispiel des Verkehrs hiesse das, dass der Kanton Solothurn ein Richtplanverfahren einfordern könnte, wenn ein Bauvorhaben nach dessen Messlatte als verkehrsintensiv eingestuft wird.
Die Debatte im Kantonsrat: Die Kantonsregierung empfahl die Standesinitiative zur Annahme. Der Kanton Solothurn sei durch seine «verzettelte Gebietsform» besonders betroffen von Vorhaben anderer Kantone, argumentiert die Regierung. Das Parlament folgte der Empfehlung und sprach sich mit 68 Ja zu 23 Nein für die Standesinitiative aus. Nur die SVP sowie drei FDP-Vertreter waren dagegen. Sie argumentierten, dass der «Weg via Bern» zu umständlich sei und man die vorhandenen Möglichkeiten zur Mitsprache nutzen solle.
So geht es weiter: Mit dem Ja des Kantonsrats geht das Anliegen nun nach Bern. Dort gibt es eine Vorprüfung. Wird das Anliegen als zweckmässig beurteilt, arbeitet die zuständige Kommission innerhalb von zwei Jahren eine Vorlage aus. Die Vorlage wird dann den beiden zuständigen Kommissionen sowie dem National- und Ständerat zur Abstimmung vorgelegt.