Eigentlich war es wie immer: Kurz vor den Glockenschlägen um vier Uhr kehrt Stille ein in der Basler Innenstadt. Dann gehen die Lichter aus und Tausende von Fasnächtlerinnen und Fasnächtler pfeifen und trommeln den ersten Marsch der Fasnacht: Den Morgenstreich.
Der Auftakt zur Basler Fasnacht war 2022 aber speziell. Nachdem die Fasnacht zweimal wegen der Coronapandemie ausgefallen war, hatte sich in diesem Jahr eine besondere Vorfreude aufgebaut. Erst vor ein paar Wochen wurde bekannt, dass dank sinkender Corona-Zahlen wieder ein Morgenstreich möglich ist. Entsprechend euphorisch waren denn auch die ersten Reaktionen der aktiven Fasnächtler am Montagmorgen. «Der Morgenstreich 2022 war genial», meinte ein Tambour. «Für mich war es der schönste Morgenstreich seit langer Zeit», sagte eine Pfeiferin.
Gross war auch der Publikumsaufmarsch. In den engen Gassen der Altstadt rund um den Marktplatz war ein Durchkommen zeitweise kaum mehr möglich. Ein mulmiges Gefühl, hatte man sich doch nun seit Monaten darauf eingestellt, möglichst grossen Abstand zu anderen zu halten. Am Morgenstreich schien die Coronapandemie jedoch weit weg zu sein – nur vereinzelt trugen Zuschauerinnen und Zuschauern eine Maske. Die Fasnächtlerinnen und Fasnächtler versteckten ihre Gesichter traditionellerweise unter ihren sogenannten «Larven».
«Bassts no?» – lautet das Motto der diesjährigen Basler Fasnacht und für wohl die meisten Fasnächtler hats heute gepasst. Basel erlebte einen Auftakt nach Mass.
Fasnacht trotz Krieg in der Ukraine?
Getrübt wurde die Basler Morgenstreich-Euphorie dennoch. Der Gedanke, dass zur gleichen Zeit in Europa ein Krieg tobt, beschäftigt viele Fasnächterlinnen und Fasnächtler. Innerhalb der Basler Fasnachtszene gibt es deshalb verschiedene Ideen, wie man mit diesem Zwiespalt umgehen will.
«Die Vorschläge reichen von einem Friedensfeuer auf dem Marktplatz über 15 Minuten ohne Fasnachtsmusik jeden Tag bis hin zur Idee, die Glocken vor dem Morgenstreich läuten zu lassen», sagte Obfrau Pia Inderbitzin letzte Woche gegenüber der Zeitung «bz basel». Das Fasnachtscomité wolle jedoch nicht von sich aus aktiv werden und überlässt den Entscheid den Cliquen respektive jedem einzelnen. Genauso wie es ein persönlicher Entscheid sei, ob man an der Fasnacht teilnimmt oder nicht.
Die Basler Fasnacht hat eine andere Aufgabe als viele andere schöne Fasnachten der Welt.
Ob die Fasnacht trotz Krieg in Europa stattfinden soll oder nicht, darüber wurde indes schon im Vorfeld viel diskutiert. Ja, sie soll, sagt Felix Rudolf von Rohr, ehemaliger Comité-Obmann auf «Telebasel». Er geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt: Wer diese Frage stelle, habe die Basler Fasnacht nicht verstanden: «Die Basler Fasnacht hat eine andere Aufgabe als viele andere schöne Fasnachten der Welt: Sie kann ernst sein, hält den Spiegel vor, übt Kritik und klagt an.»
Der Krieg in der Ukraine war denn auch Thema am Morgenstreich. Verschiedentlich sah man blau-weisse Streifen an den Kostümen. «Es ist traurig und dramatisch, was in der Ukraine passiert. Ich trage deshalb eine Friedenstaube am Kostüm. Die Basler Fasnacht hat Platz für solche politischen Statements», meinte ein Fasnächtler.
Man darf gespannt sein, wie die Baslerinnen und Basler den Spagat zwischen Fasnacht und Krieg in den nächsten drei Tagen schaffen, insbesondere auch, wie die Schnitzelbänklerinnen und Schnitzelbänkler Putin und seinen Angriff auf die Ukraine in ihren Versen verarbeiten. Die ersten Schnitzelbänke gibt es am Montagabend.