Wie umgehen mit Bettlerinnen und Bettlern? Diese Frage ist in der Schweiz politisch ein heisses Eisen. Besonders konsequent geht die Stadt Bern gegen Bettelnde vor. Wenn sie keine Schweizer Staatsbürgerschaft und keinen Schweizer Wohnsitz haben, weist Bern sie aus. Die Stadt fühlt sich nun auch durch den jüngsten Bundesgerichtsentscheid im Fall des Basler Bettelverbots bestätigt.
Dieses Urteil stütze das strikte Vorgehen der Behörden in Bern seit 2008, sagt Alexander Ott, Vorsteher der Fremdenpolizei der Stadt Bern. Bei der Berner Polizei gingen oft Meldungen ein, dass sich Bettlerinnen und Bettler aufdringlich oder gar aggressiv verhalten. In solchen Fällen würden die betroffenen Personen konsequent kontrolliert und weggewiesen. Und wenn es EU-Bürgerinnen und Bürger ohne Wohnsitz in der Schweiz seien, müssten sie die Schweiz verlassen, so Ott.
Diese Strategie sei aufwändig, weil bei allen auffälligen Personen die Lebensumstände und die Herkunft abgeklärt werden müssten. Sie funktioniere aber. Doch die harte Linie der Stadt Bern stösst auf Kritik.
Aus meiner Sicht ist für diese Praxis keine Grundlage gegeben.
Einerseits ist sie juristisch umstritten, denn viele Bettelnde kämen aus EU-Ländern. Laut Valerio Priuli, Dozent für Migrationsrecht an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, hätten diese Personen gestützt auf das Freizügigkeitsabkommen ein Einreiserecht und dürften drei Monate in der Schweiz bleiben. «Aus meiner Sicht ist in dieser Zeit keine Grundlage gegeben, um eine Wegweisungsverfügung zu erlassen», sagt Priuli.
Eine Frage der Auffassung
Bei der Differenz zwischen dem Dozenten und der Stadt Bern geht es um eine Auslegung des Personenfreizügigkeitsabkommens. Priuli sagt, dass EU-Bürgerinnen und -Bürger in jedem Fall das Recht hätten, sich während 90 Tagen in der Schweiz aufzuhalten. Die Stadt Bern legt das Abkommen hingegen so aus, dass nur jene Personen dieses Recht haben, die finanziell für sich sorgen können – was bei Bettlern nicht der Fall sei.
Es geht um ein ausgedehntes City Cleaning.
Die Berner Wegweisungspraxis ist aber auch bei diversen Interessensgruppen umstritten. Bern gehe schon lange repressiv mit Menschen im öffentlichen Raum um, sagt Michel Steiner vom Verein für Gassenarbeit «Schwarzer Peter». «Es ist beschönigend, zu behaupten, es gehe dabei ums Betteln. Es werden generell viele Menschen mit einem Verbot belegt, einfach weil sie das gewünschte Stadtbild stören. Es geht um ein ausgedehntes, sogenanntes «City Cleaning», sagt Steiner.
Dieser Sichtweise widerspricht Alexander Ott jedoch. Er stützt sich auf das Bundesgericht. «Das Urteil zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind», so Ott. Doch die Kontroverse zeigt, dass der Umgang mit Bettelnden ein politisch heisses Eisen ist sowie bleibt – auch nach dem jüngsten Urteil des Bundesgerichts.