Das Bundesgerichtsurteil von Anfang Juni hatte zur Folge, dass Uber-Fahrerinnen und -Fahrer nun über eine Drittfirma angestellt werden. Nur so dürfen sie die Uber-App weiterhin benutzen. In den Augen vieler Fahrer war das aber kein Fortschritt.
Vor der Anstellung zog ihnen Uber 25 Prozent des Umsatzes ab. Jetzt ist es deutlich mehr, sagt ein frisch angestellter Uber-Fahrer: bis zu 50 Prozent Kommission. Von 20 verdienten Franken gehen also 10 an Uber.
Aus ihrer Tasche zahlen die Fahrer Auto, Benzin und alle Fahrten ohne Kunde auf der Rückbank. Das sei keine Arbeit, sagt der Fahrer, der anonym bleiben will: «Das ist Sklaverei. Ich arbeite, sie kommen erst um 8 Uhr ins Büro und streichen die Gewinne ein. Aber es ist mein Auto, mein Handy, mein Benzin und ich fahre überall hin.» Er habe sogar schon von Freunden Geld geliehen, damit er weiterfahren kann. Ende Monat würden ihm und seiner Familie nichts bleiben.
Uber hat eine Anfrage von Radio SRF für ein Interview abgelehnt. Das Fahrdienstunternehmen teilte später aber mit: «Uber bestreitet diese hohen Abzüge und weist darauf hin, dass die Kommission nicht erhöht wurde, dass der Lohn der nun von einem Partnerunternehmen angestellten Fahrer über dem Genfer Mindestlohn von CHF 23,27 pro Stunde liegt und die zusätzlichen Abzüge, welche die Partnerfirma vornimmt, gesetzlich vorgeschrieben sind».
«Schlimmere Arbeitsbedingungen als vorher»
Das sehen viele anders. So etwa Alioune Diagne. Er fuhr über fünf Jahre für Uber, bis zum Urteil des Bundesgerichtes. Aber die Arbeitsbedingungen seien mit der Anstellung noch schlimmer als vorher: «Die Chauffeure müssen arbeiten wie verrückt, damit der Lohn reicht. Denn es ist teuer, in der Schweiz zu leben. Vor allem in Genf. Aber mit diesen Abzügen ist es fast unmöglich, in Genf zu leben.»
Diagne hat sich arbeitslos gemeldet, anstatt sich anstellen zu lassen. Von Uber hat der frühere Chauffeur bislang eine Übergangsprämie von 3000 Franken erhalten – wie alle Fahrer, die zu der Firma wechseln mussten. Er verlangt aber darüber hinaus, dass ihm Sozialabgaben und Spesen für die letzten Jahre vergütet werden. Drei Monate nach dem Bundesgerichtsurteil kommt er zum Schluss, dass alles noch schlimmer geworden sei.
Die Fragen der Nachzahlungen und der Arbeitsbedingungen werden in tripartiten Kommissionen diskutiert. Am Tisch sitzen Gewerkschaften wie SIT und Unia, der Kanton Genf und Uber selbst. Zwei Fragen stünden dabei im Zentrum, sagt die Genfer Wirtschaftsdirektorin Fabienne Fischer.
Erstens gehe es um die Frage, welche Arbeitszeit eingerechnet werde. «Nur, wenn der Chauffeur mit einem Kunden unterwegs ist? Oder auch die Zeit, während der Fahrer in der App eingeloggt ist?» Zweitens gehe es um die Übernahme der Spesen: «Für das Fahrzeug und den Unterhalt und für alle anderen Kosten für die Fahrer.»
Geduld ist gefordert
Ist es legitim, Uber weiterhin auf dem Markt zu lassen, während die Chauffeure so prekäre Arbeitsbedingungen anprangern? Fischer sagt, es sei verhältnismässig, dass die Chauffeure weiterarbeiten könnten. Und Uber brauche Zeit, um das neue System umzusetzen. Viele in Genf wollen das aber nicht abwarten: Einige Fahrer versuchen, eine Konkurrenz-App zu Uber zu kreieren.
Und auch der eingangs zu Wort gekommene Chauffeur macht bei Uber nicht mehr lange mit. Er und sein Kollege seien am Lernen für die Taxiprüfung. Mit dem Kapitel Uber haben sie abgeschlossen. Auch, weil die Diskussionen in Genf noch andauern werden, bis die Internetplattform Uber in der realen Arbeitswelt angekommen ist.