«Da sind die Wurzeln, da ist die Heimat, da geht niemand gerne fort», sagt Werner Schläppi, Gemeindepräsident in Guttannen BE. Er weiss, wovon er spricht. Letzten Sommer war seine Gemeinde von einem Murgang betroffen. Die Bewohnerinnen und Bewohner von zwei Häusern, so beschloss die Gemeinde infolge, müssen ihr Zuhause verlassen.
Denn wenn Gesteinsbrocken so gross wie Häuser herunterkommen, wird es gefährlich für die Menschen, die direkt neben der Aare wohnen.
Auch in Romoos im luzernischen Entlebuch muss Bauernfamilie Koch ihr geliebtes Heim verlassen. Der Grund: Erdmasse, die den Berg herunterrutscht. «Der Tag kommt immer näher und es wird einem immer mehr bewusst, dass wir am ersten August nicht mehr hier wohnen dürfen.»
Situationen sind einzeln zu beurteilen
Geograf Christian Huggel von der Universität Zürich forscht schon lange zum Thema Klimawandel. Er sagt: Umsiedlungen müssten in der Schweiz künftig öfters diskutiert werden. «Eine Umsiedlung kann Sinn ergeben, wenn die Investition in Schutzmassnahmen in keinem Verhältnis steht zu dem, was man schützen will.»
Bedeutet: Mit dem Klimawandel nehmen die Naturgefahren zu. Mehr Schutzbauten – etwa Dämme oder Auffangbecken – kosten Geld. Es gilt abzuwägen, ob mit Massnahmen Gebiete langfristig gesichert werden können und wie viele Menschen geschützt werden durch einen Bau. Nicht zuletzt spielt die Infrastruktur eine wichtige Rolle. Eine kantonale Durchgangsstrasse oder Energie-Infrastruktur sind ebenfalls schützenswert.
Laut Huggel muss jede Situation einzeln beurteilt werden. Dabei stünden jeweils aber nicht ganze Täler zur Diskussion, sondern einzelne Gebäude oder Teile von Siedlungen, sagt der Geograf.
Umsiedlungen als letzte Option
Auch in Guttannen musste man abwägen: Schutzmassnahmen oder Umsiedlung. «Wir haben natürlich alles daran gesetzt, die Wohnhäuser zu schützen. Dies ist uns halt irgendwann nicht mehr gelungen», sagt Gemeindepräsident Schläppi.
Er betont, die Gemeinde habe die emotionalen Faktoren der Betroffenen selbstverständlich miteinbezogen. Letztendlich habe man aber auf den Rat der Fachleute hören müssen. «Jede Schutzmassnahme wäre nur ein Hinauszögern des Grundproblems gewesen», sagt Schläppi. Solche Entscheide sind hart für die Betroffenen. Sie müssen wohl nun vermehrt im Alpenraum getroffen werden.