Die Schweiz ist ein Land der Pendlerinnen und Pendler. 2022 gehörten etwa vier von fünf Erwerbstätigen zu jenen Menschen, die für die Arbeit ihr Haus oder ihre Wohnung verlassen. Insgesamt sind es 3.6 Millionen Menschen, so das Bundesamt für Statistik in einem neuen Bericht.
71 Prozent der Pendelnden arbeiten ausserhalb ihrer Wohngemeinde, davon wechselt über ein Viertel sogar den Kanton. Dabei ist das Auto für den Arbeitsweg das wichtigste Verkehrsmittel. 2022 wählte die Hälfte aller Pendelnden einen Personenwagen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu fahren. Ähnlich viele waren es auch schon 1990.
Die Eisenbahn war 2022 für 16 Prozent aller Pendelnden das Hauptverkehrsmittel. Hier gab es gegenüber 1990 eine Zunahme um knapp 5 Prozentpunkte. Gestiegen ist der Anteil ausschliesslich in den 1990er- und den 2000er-Jahren, als das Bahnnetz mit diversen S-Bahnen und dem Projekt Bahn 2000 ausgebaut wurde. «Seit dem Jahr 2010 ist der Bahnanteil dagegen mehr oder weniger stabil geblieben – mit einer Ausnahme eines vorübergehenden Rückgangs zu Beginn der Covid-Pandemie», stellt das BFS fest. So stieg der Anteil der Autopendelnden in den Jahren 2020 und 2021 leicht.
ÖV als Hebel für Klimaziele
Damit die Schweiz ihre Klimaziele der nächsten Jahrzehnte erreicht, müssen die Emissionen deutlich vermindert werden. Einen grossen Hebel stellt hier gerade der Verkehr dar. 33 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen hierzulande werden durch den Verkehr verursacht (ohne internationalen Flug- und Schiffsverkehr). Gut drei Viertel der CO₂-Emissionen des Verkehrs stammen von Personenwagen oder Motorrädern.
Der Verkehr in der Schweiz sei aber noch weit von seinen Klimazielen entfernt, sagt Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes. «Das ist der einzige Bereich, der es bisher nicht geschafft hat, den notwendigen Pfad in Richtung Netto-Null-Emissionen einzuschlagen.»
Mit dem Bahnausbau in den kommenden Jahren will der Bund den öffentlichen Verkehr attraktiver machen und so einen Beitrag zum nachhaltigen Verkehr leisten. «Es wird nicht reichen, nur den ÖV besser zu machen. Wir werden auch beim Auto sehen müssen, dass wir eine Kostenwahrheit hinbekommen», sagt Sauter-Servaes dazu.
Mischung von Anreizen nötig
Der Mobilitätsforscher von der ZHAW spricht von sogenannten Push- und Pull-Massnahmen. Hier brauche es eine gute Mischung. Einerseits könnten mehr Menschen vom ÖV angelockt werden (Pull), wenn das Bahnangebot verbessert wird, etwa mit höheren Frequenzen.
Andererseits müsste man Autofahrerinnen und -fahrer auch zum Wechsel bewegen (Push). Autofahren sei ein sehr komfortables Tür-zu-Tür-Verkehrsmittel, sagt Sauter-Servaes. Zudem habe es sich in den vergangenen Jahren weniger stark verteuert als der ÖV, wie auch Zahlen des Preisüberwachers zeigen. «Es braucht Impulse, um die Leute aus dem Auto zu bringen und die Routine zu brechen.» Ideen wären etwa teurere Parkplätze oder Mobility-Pricing, also die Berechnung der tatsächlichen gesellschaftlichen Kosten pro zurückgelegtem Kilometer.
Die Zahlen des BFS zeigen schliesslich auch, dass mehr Menschen in der Schweiz zur Arbeit pendeln – und dabei im Durchschnitt vor allem weitere Distanzen zurücklegen. So oder so braucht es für die Mobilität in Zukunft neue Wege.