Die Schweiz muss eine Mindeststeuer von 15 Prozent für Grossunternehmen einführen. Der Nationalrat hat entschieden, dass die Zusatzeinnahmen je zur Hälfte an Bund und Kantone gehen sollen. Der Präsident der kantonalen Finanzdirektorinnen und -direktoren, Ernst Stocker, wehrt sich gegen diese Aufteilung.
SRF News: Das Parlament muss entscheiden, wer wie stark von diesen zusätzlichen Millionen bis Milliarden Franken profitieren wird. Wann haben Sie als Finanzdirektor das letzte Mal so ein Luxusproblem gehabt?
Ernst Stocker: Ja, zum Glück geht es uns in der Schweiz immer noch relativ gut und wir streiten viel um die Geldverteilung. So ist es auch dieses Mal wieder, denn in diesem OECD-Steuerprojekt geht es eigentlich um ganz andere Sachen.
Worum geht es denn?
Es geht darum, dass die Schweiz ihren Standortvorteil behält. Dass viele internationale, grosse Unternehmen hier bleiben und Steuern zahlen zugunsten von allen Schweizerinnen und Schweizern.
Der Nationalrat will jetzt, dass der Bund die eine Hälfte der Zusatzeinnahmen erhält und die Kantone die andere. Wieso lehnen Sie das ab?
Die Finanzdirektorinnen und -direktoren haben diese Vorlage genau abgewogen und sind zum Schluss gekommen, dass es am besten ist, wenn der Verteiler so ist: 25 Prozent für den Bund, 75 Prozent für die Kantone. Weil wir der Meinung sind, dass man das Geld dort, wo es anfällt, auch einsetzen kann.
Und es geht ja darum, dass die Firmen in der Schweiz bleiben.
Die Kantone sind vertraut mit diesen Firmen, sind vertraut mit ihren Standortvorteilen. Und es geht ja darum, dass die Firmen in der Schweiz bleiben. Das muss das oberste Ziel sein, ob für die reichen oder für die armen Kantone.
Wieso sollen das die Kantone besser können? Der Bund kann nationale Massnahmen umsetzen, wie zum Beispiel bei der Kinderbetreuung, die sich grundsätzlich positiv auf die Attraktivität der Schweiz als Wirtschaftsstandort auswirken können.
Wenn man bei der Kinderbetreuung die Kantone anschaut, bei denen die zusätzlichen Steuereinnahmen hauptsächlich anfallen, dann hat Zug und auch Basel-Stadt bis jetzt ein sehr gutes Angebot gehabt.
Der Bund musste in den letzten Jahren den Kantonen ständig unter die Arme greifen, etwa in der Covid-Krise oder beim Rettungsschirm für Stromunternehmen. Wäre es nicht fair, wenn er auch mal profitieren würde von den Kantonen?
Die Urvorlage des Bundes war ja, dass 100 Prozent bei den Kantonen bleibt. Darum sind wir eigentlich grosszügig gewesen. Wir haben gesagt, 25 Prozent dem Bund und 75 Prozent den Kantonen.
Die Vorlage kommt vors Volk. Bei einem Nein können andere Staaten die Steuerdifferenz abschöpfen. Müsste man die Vorlage nicht so gestalten, dass möglichst viele Leute davon profitieren, um die Chancen an der Urne zu erhöhen?
Wir müssen alles daran setzen, dass die Vorlage vor dem Volk Bestand hat. Die Hauptfrage, über die das Volk abstimmt, ist die unterschiedliche Besteuerung. Bis jetzt steht in der Verfassung: Alle Firmen müssen gleich besteuert werden.
Diese Firmen sollen ein bisschen mehr zahlen als der kleine Malermeister mit drei Angestellten.
Jetzt müssen wir wegen der OECD-Besteuerung Firmen mit über 750 Millionen Franken Umsatz höher besteuern. Und ich glaube, dass die Mehrheit der Meinung ist: Doch, diese Firmen sollen ein bisschen mehr zahlen als der kleine Malermeister mit drei Angestellten.
Ihre Partei, die SVP, hat im Nationalrat die ganze Vorlage abgelehnt. Was halten Sie davon?
Ich bedaure das. Ich kenne die Hintergründe meiner Fraktion nicht genau. Aber ich bin überzeugt: Für die Gesamtheit der Schweiz ist es ganz wichtig, dass man den Souverän, also das Volk, dazu bringen kann, dieser Vorlage zuzustimmen. Sonst verlieren alle.
Das Gespräch führte Larissa Rhyn.