Die meisten Polizeikorps in der Schweiz leiden unter akuten Bestandsproblemen. Tausende fehlen. Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) ortet die Gründe unter anderem im schwindenden Ansehen, aber auch bei der Entlöhnung und der regelmässigen Wochenendarbeit etwa an Hochrisiko-Fussballspielen mit zunehmender Gewalt. Und letztlich auch in den Vorwürfen wegen angeblicher Polizeigewalt.
Die Influencerin und der Vizepräsident
Junge Menschen möchten in ihrer Arbeitszeit Geld und Wertschätzung, einen spannenden Beruf, Sinnhaftigkeit und flexible Arbeitszeiten. Dies sagt die 23-jährige Influencerin und Mitbegründerin einer Kreativagentur, Yael Meier, an einem Forum für innere Sicherheit der Polizeigewerkschaft in Bern.
Nach den Worten von Meier ist die Polizei bei ihrer Generation nicht sehr angesehen. Also müsse sie sympathisch, hilfsbereit und interessant wirken. Mit gut gemachten Videos in den sozialen Medien seien junge Menschen vielleicht für die Polizei zu gewinnen.
Wir müssen für die Generation Z den richtigen Ton und Wortschatz finden.
Dieser Meinung ist auch VSPB-Vizepräsident Emmanuel Fivaz: «Wir müssen für die Generation Z den richtigen Ton und Wortschatz finden, um sie mitnehmen zu können. Yael Meier spricht den Umstand an, dass sich junge Menschen auch in der Schweiz von Videos über Polizeigewalt in den USA beeinflussen liessen. In diesem Punkt ist Polizeigewerkschafter Fivaz allerdings fest überzeugt: «Das Schweizer Publikum hat die Polizei noch sehr gern, und das muss unbedingt so bleiben.»
Mehr Frauen, auch Migrantinnen und Migranten
Die Polizei müsse diverser werden, schlägt Nadine Vögeli vor, die Präsidentin des Verbands der Solothurner Polizistinnen und Polizisten: «Man muss sich in der Polizei erkennen können. Darum braucht es auch mehr Frauen, mehr Migrantinnen und Migranten, damit sich auch diese Bevölkerungsteile angesprochen fühlen.» Laut Vögeli reicht das aber nicht: «Auch bei den Arbeitsbedingungen hinken wir noch etwas hinterher.»
Ich stelle eine gewisse Niedergeschlagenheit im Korps fest.
Die Waadtländer Polizeikommandantin Sylvie Bula plädiert für einen Wandel in der Polizei: mit Teilzeitmodellen, neuen Arbeitsformen, besserer Laufbahnentwicklung und generell mehr Flexibilität. Selbst stelle sie eine gewisse Niedergeschlagenheit im Korps fest: «Viele verlassen den Beruf, immer mehr brechen die Ausbildung ab. Junge haben keine Lust, diese Art Autorität zu vertreten, weil sie die Polizei mit einer konservativen Haltung verbinden.»
Löhne zu wenig attraktiv
Laut Bula müssten aber auch die Löhne angehoben werden. Eine Umfrage des VSPB vom Frühling zeigt, dass die «Entlöhnung nicht unbedingt dem aktuellen Arbeitsmarkt entspricht», wie Vizepräsident Fivaz es ausdrückt: «Vielen sagen denn auch, es fehle an Anerkennung von der Hierarchie und vom Arbeitgeber her.» Er ist überzeugt, dass die Korps mit Verbesserungen in diesen Bereichen ihre Kräfte besser finden und halten könnten.
Für all die besprochenen sinnvollen Ansätze braucht es allerdings Geld, das die Polizeien selbst nicht haben. Darüber entscheidet die Politik, und vielleicht müsste auch auf Bundesebene mehr für die kantonalen Einsatzkräfte getan werden.
Laut nachgedacht wurde am Forum auch über eine nationale Polizei-Reserve, eine «Polizei-Schweiz». Auch wenn die Kantone für die Sicherheit zuständig seien, so müsse doch – mit viel Fantasie – in alle Richtungen gedacht werden, findet die Solothurner Verbandspräsidentin Nadine Vögeli.