Zwei letzte Reserven sollen die Schweiz im Notfall vor einem Blackout bewahren: eine Wasserkraftreserve und Gaskraftwerke. Eine eiserne Wasserkraft-Notration hat der Bundesrat bereits vergangenen Sommer per Gesetz vorgeschlagen.
Nun aber will er eine solche per Verordnung bereits im kommenden Winter parat haben. Energieminister Simonetta Sommaruga: «Wir setzen auf zwei zusätzliche Versicherungen. Und wie bei allen Versicherungen ist auch hier das Ziel, dass man sie möglichst nicht braucht. Aber sie geben zusätzliche Sicherheit.»
Bei der Stromversorgung sieht der Bundesrat offensichtlich dringenden Handlungsbedarf. Auslöser dafür sind zum einen die Warnungen der Elektrizitätskommission (Elcom), die bereits lange klar und seit letztem Herbst sehr konkret auf mögliche Risiken von Versorgungsengpässen im Winter hinweist.
Als Sicherheitsnetz gedacht
Denn nach dem Nein des Bundesrats zum Rahmenabkommen fehlt noch immer ein Stromabkommen mit der EU. Zum anderen sei die aktuelle Lage sehr instabil, sagt Sommaruga; etwa angesichts der Spannungen in der Ukraine oder auch mit dem Ausfall von Kernkraftwerken in Frankreich. Als Sicherheitsnetz schlägt die Elcom nun zwei bis drei Gaskraftwerke vor.
Diese Idee ist nicht neu: Gaskraft ist Teil der Energiestrategie, die das Stimmvolk gutgeheissen hat. Heute betont der Bundesrat, Gaskraftwerke sollten nur im Notfall für kurze Dauer und auf jeden Fall klimaneutral betrieben werden.
Gaskraftwerke zu bauen und Erdgas zu verbrennen, das nur auf dem Papier klimaneutral ist, ist angesichts der Klimakrise absurd.
Trotzdem hält Marie Seidel vom WWF fest: «Gaskraftwerke zu bauen und Erdgas zu verbrennen, das nur auf dem Papier klimaneutral ist, ist angesichts der Klimakrise absurd.» Vielmehr müsse der Ausbau von Solaranlagen und die Sanierung von Wasserkraftanlagen vorangetrieben werden.
Gewerbeverband skeptisch
Überdies erhöhe sich mit Gaskraftwerken die Abhängigkeit der Schweiz vom Ausland, namentlich Russland, wendet der Gewerbeverband ein. Umstritten ist aber auch, wie leicht Gaskraftwerke überhaupt gebaut werden könnten. In der Vergangenheit haben solche Projekte schon Widerstand provoziert.
Auch jetzt könnten Einsprachen den Bau bremsen, wie Elcom-Präsident Werner Luginbühl selber sagt: «Das Risiko besteht. Nicht alle, aber relativ viele Kantone haben eine Regelung im Gesetz, wonach Gaskraftwerke zwar gebaut werden können, aber nur, wenn die Wärme abgeführt wird. An eine Lösung, wie wir sie heute diskutieren, hat man damals nicht gedacht.»
In einem solchen Fall wären auch Volksabstimmungen denkbar, sagt Luginbühl. Auf jeden Fall müsse garantiert sein, dass die Gaskraftwerke wirklich nur im Notfall und nicht im Dauerbetrieb laufen, teilt die Konferenz Kantonaler Energiedirektoren (EnDK) mit.
Betreiber lassen sich finden
Trotz der Hürden gäbe es wohl schon Betreiber, die sich für die Ausschreibung für ein Gaskraftwerk bewerben würden, heisst es beim Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen.
Nadine Brauchli, Leiterin des Bereichs Energie, rechnet damit, dass der Betrieb, der Bau und vermutlich auch die Projektierung kostendeckend sein werden. «Auch, wenn es zum Beispiel zu Verzögerungen durch Einsprachen kommt. Ich gehe deshalb davon aus, dass sich da Betreiber finden lassen werden.»
Parteien begrüssen Vorschlag
Der Verband unterstützt den Vorschlag des Bundesrats grundsätzlich. Auch bei den Parteien könnten neue Gaskraftwerke mehrheitsfähig sein – als allerletztes Netz zur Sicherung der Stromversorgungssicherheit und wenn gleichzeitig der Ausbau erneuerbarer Energien vorangetrieben wird.