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Politik auf Social Media Die Debatte um den Nutzen von X & Co. spitzt sich zu

Die verworrene Situation um X ist symptomatisch: Wie umgehen mit den grossen Plattformen? Die Eidgenössische Medienkommission Emek hebt den Mahnfinger.

X steht in der Kritik. Der Vorwurf? Seit der Übernahme und Umbenennung durch Elon Musk sei die Plattform nicht mehr wiederzuerkennen. Trolle hätten übernommen, der Algorithmus bevorzuge – entsprechend den politischen Vorlieben des Inhabers – rechte Accounts.

Graubünden Tourismus, Lindt und Sprüngli und jüngst auch das Onlinemedium Watson haben sich von der Plattform verabschiedet. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider publiziert nichts mehr auf ihrem Account. Sie sehe die Debattenkultur gefährdet, schrieb sie Ende letzten Jahres . Zu einem anderen Schluss ist offenbar Karin Keller-Sutter gekommen. Sie hat auf ihr Präsidialjahr als Bundespräsidentin hin ein neues Konto eröffnet.

Die sozialen Medien sind zum wichtigen Kommunikationskanal geworden, auf den die Politik offenbar nicht gänzlich verzichten kann. Doch mit ihm kamen auch Nebenerscheinungen wie Hassrede oder Desinformation.

«Diese Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen für den Inhalt, den sie zirkulieren lassen. Denn der spaltet ganze Gesellschaften», sagt etwa Gerhard Andrey, Nationalrat der Grünen aus dem Kanton Freiburg, gegenüber SRF.

Die Macht der Plattformen

Die Kritik an den grossen US-Playern und ihren Plattformen ist nicht neu. Bereits 2018 forderte der damalige SP-Ständerat Christian Levrat, gegen Hassrede auf Facebook und Twitter vorzugehen, indem die Unternehmen verpflichtet werden, sich in der Schweiz niederzulassen. Passiert ist seither wenig.

In einem Bericht hält die Eidgenössische Medienkommission Emek nun fest: Die Marktmacht der Plattformen sei «relevant und potenziell problematisch». Diese kuratierten mit Algorithmen einen wesentlichen Teil der öffentlichen Debatte, mit hauptsächlich kommerziellen Zielen.

Diese Handlungsoptionen schlägt die Emek vor

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  • Mehr Regulierung: Überlegenswert ist aus Sicht der Emek eine Vorabregulierung von marktmächtigen Plattform-Unternehmen, ergänzend zum Wettbewerbsrecht. Den Unternehmen würden damit vorsorglich gewisse Pflichten auferlegt. Solche Regelungen gebe es in der EU bereits.
  • Mehr Governance: Es könnte etwa ein Empfehlungsalgorithmus vorgeschrieben werden, der keine individuellen Nutzerdaten verwendet. Zurzeit hätten die Big-Tech-Unternehmen keine Anreize, beim Anbieten von Inhalten auf gesellschaftspolitische Kriterien zu achten. Den Plattform-Unternehmen könnten Risikofolgenabschätzungen und Transparenz vorgegeben werden, etwa zur Erklärbarkeit von Algorithmen. Auch die Berichterstattung dazu könnte Pflicht werden.
  • Unabhängige Aufsicht: Um sicherzustellen, dass die Regulierungen eingehalten werden, schlägt die Emek eine unabhängige und staatlich finanzierte Aufsicht vor. Mehr Transparenz hält sie auch bei der zunehmend eingesetzten Künstlichen Intelligenz für angezeigt. Diese müsse nachvollziehbar eingesetzt werden und müsse Grundrechte achten.
  • Förderung der Medienkompetenz: Der Emek geht es dabei um das Wissen über die Funktionsweise und die Geschäftsmodelle von Online-Plattformen und den von ihnen verwendeten Algorithmen. Nötig seien zielgruppengerechte Angebote für alle Schichten, sagte Emek-Präsidentin Jobin dazu.
  • Im Tagesgespräch mit Radio SRF hat Emek-Präsidentin Anna Jobin ausführlich Stellung zum Bericht und zum Zustand der Schweizer Mediendemokratie genommen. Die ganze Sendung finden Sie hier.

Kommissionsmitglied Manuel Puppis sagt gegenüber SRF: «Der News-Feed bei Instagram oder Facebook oder die Empfehlung für YouTube-Videos, die wir zu sehen bekommen, sind danach zusammengestellt, was uns möglichst lange auf dieser Plattform hält. Das müssen nicht unbedingt relevante Inhalte sein. Es sind Inhalte, die für das Plattform-Unternehmen von Vorteil sind.»

Die Suche nach einer Handhabung

Die EU treibt die Regulierung der Plattformen mit dem Digital Markets Act und dem Digital Services Act voran. Derzeit läuft zudem ein Verfahren gegen X wegen der Verbreitung von Falschinformationen . Wie mehrere Medien in den vergangenen Tagen berichtete, arbeitet man in Bern derzeit an einer eigenen App, über die der Bundesrat künftig informieren könnte. Und auch auf gesetzlicher Ebene tut sich etwas.

Der Bund wird aktiv – aber mit Verzögerungen

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Im April 2023 hat der Bundesrat Eckwerte zu einem geplanten Gesetz zur Regelung von Kommunikationsplattformen vorgestellt. Die Vernehmlassung verspätet sich nach Angaben des Bundesamtes für Kommunikation nun aber. Die sich stellenden Rechtsfragen seien komplexer als zunächst angenommen, heisst es beim Bundesamt auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Voraussichtlich in den nächsten Wochen solle die Vernehmlassung beginnen.

Doch nicht alle sehen den neuen Regulierungsdrang positiv. So sagt etwa Franz Grüter, Nationalrat der SVP aus dem Kanton Luzern: «Ich glaube, es ist nicht die Aufgabe des Staates, zu sagen, was Demokratie ist. Die Meinungsbildung auch auf grossen Plattformen ist gewährleistet und möglich. Ich bin dagegen, dass sich der Staat quasi zu einer nationalen Zensurstelle entwickelt.»

Leuchtendes X auf einem Gebäude bei Nacht.
Legende: Es hat sich viel getan, seit in der Innenstadt von San Francisco nicht mehr das blaue Vögelchen, sondern das kühle X auf dem Dach der Zentrale des Kurznachrichtendienstes leuchtet. REUTERS/Carlos Barria

Zurück zu X: Es gibt Alternativen. Die derzeit wohl bekannteste, Bluesky, hat sich in den USA bereits den Ruf der (linken) X-Alternative erworben. Wer sich derzeit über die aktuelle Lawinensituation informieren will, kann dies bereits auf Bluesky tun. Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und das Institut für Schnee und Lawinenforschung haben seit kurzem Accounts.

SRF4 News aktuell, 14.01.25, 18 Uhr ; 

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