Zwei Männer standen heute in Brüssel vor einem Ausschuss des Europäischen Parlaments: Der Schweizer Staatssekretär Roberto Balzaretti und sein Gegenüber auf Seiten der EU, Christian Leffler. Sie informierten über den Stand der Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz in Sachen Rahmenabkommen.
Leffler: «Window of Opportunity»
Der für die Schweiz zuständige Diplomat im Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD), Christian Leffler, hatte zwei Botschaften an die Adresse der Schweiz:
Erstens: Es liegen alle Fakten und Parameter auf dem Tisch, es ist möglich die Verhandlungen abzuschliessen.
Zweitens: Es muss nun schnell gehen, das «Window of Opportunity» schliesst bald. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erwartet eine Einigung bis am 15. Oktober, andernfalls dürfte es schwierig werden.
Balzaretti: «Wir arbeiten ohne Zeitdruck»
Die Botschaft ist klar, an der EU soll es nicht liegen. Leffler spielt damit den Ball der Schweiz zu. Doch von zeitlichem Druck will der Schweizer Staatssekretär Roberto Balzaretti nichts wissen:
«Das hat mir die Kommission nicht gesagt. Morgen treffen wir uns mit Leffler und den Delegationen nochmals. Wir arbeiten weiter. Wir wissen, was wir tun können. Wir werden weiterarbeiten, bis wir zu einem Abschluss kommen. Wenn das nicht möglich ist, werden wir unseren politischen Behörden berichten, dass ein Abschluss nicht möglich ist. Aber im Moment arbeiten wir eher daran, eine Lösung zu finden – ohne Zeitdruck.»
«Technisch stimmt es noch nicht»
Balzaretti scheint – wohl aus strategischen Gründen – nicht gehört zu haben, was Leffler öffentlich gesagt hat. Und was sagt Balzaretti zur Aussage Lefflers, ein Abschluss der Verhandlungen über das Rahmenabkommen sei lediglich noch eine Frage des politischen Willens?
«Ja, er hat recht. Aber es war von Anfang an eine Frage des politischen Willens. Der politische Wille ist da, ein Abkommen abzuschliessen. Das hat der Bundesrat mehrmals bestätigt. Nur, damit das möglich wird, muss es auch technisch richtig stimmen. Das ist im Moment noch nicht der Fall», erklärt Balzaretti.
Die grössten Differenzen gibt es weiterhin bei den flankierenden Massnahmen. Die EU möchte, dass die Schweiz die europäischen Regeln übernimmt. Die Schweiz möchte an den eigenen Regeln festhalten, insbesondere an der so genannte Acht-Tage-Regel.
Balzaretti: «Es braucht mehr Vorsichtsmassnahmen»
Während Leffler eine Einigung auf technischer Ebene, also zwischen den Verhandlungsdelegationen, für möglich erachtet, sagt Balzaretti dazu: «Man kann sich schon finden. Wenn man bei der Personenfreizügigkeit aber das Schutzniveau in Frage stellt, wird man sich nicht finden.»
Die grosse Frage also: Ist es möglich, auch mit EU-Recht das Schweizer Schutzniveau zu erreichen? Diese Frage wollte Balzaretti nicht mehr beantworten und ging.
Während des Auftritts vor den EU-Parlamentariern aber gab er einen Hinweis. Balzaretti sagte nämlich: «Ich glaube aber immer noch, dass wir, um die Schweizer Löhne zu schützen, mehr Vorsichtsmassnahmen brauchen, als es sie in der EU gibt.» Die Differenzen sind also noch immer gross. Noch aber wird verhandelt. Noch ist der Druck hoch.