Nicht im gewohnt feldgrünen Outfit, sondern im schwarzen T-Shirt mit dem Schriftzug «Ukraine» begrüsste Wolodimir Selenski die versammelten National- und Ständeräte im Nationalratsaal.
Zuerst sprach er über das Elend in seinem Land. Statt abends friedlich schlafen zu können, prüfe das ukrainische Volk in den Nachrichten, ob es wieder von Raketen beschossen werde. Kinder müssten in fensterlosen Bunkern übernachten.
Mehrfach betonte der ukrainische Präsident, dass die Ukraine diesen Krieg nicht gewollt habe. Viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier reagierten betroffen auf seine Worte, etwa SP-Nationalrätin Sarah Wyss: «Ich bin ein bisschen erschlagen. Man liest ja in den Zeitungen, was in der Ukraine abgeht. Das aber so direkt zu hören, war bestürzend.»
Macht die Schweiz genug?
Ständerätin Maya Graf von den Grünen fordert, die Schweiz müsse mehr helfen: «Bis jetzt tut sie viel zu wenig, denn die Schweiz kann sehr viel einbringen. Sei es bei der humanitären Hilfe, dem Wiederaufbau und generell dabei, dass wir Gelder zur Verfügung stellen.»
Selenski dankte der Schweiz, dass sie als neutrales Land nicht gleichgültig geblieben sei gegenüber der Ukraine. Er betonte vor den still lauschenden Politikerinnen und Politikern die Notwendigkeit von Waffen, um sich gegen den Aggressor Russland verteidigen zu können.
Druckversuch auf die Schweiz – oder etwa nicht?
Als Druck auf die Schweiz wurde das nicht verstanden. Mitte-Präsident Gerhard Pfister sagt: «Aus der Rede von Präsident Selenski habe ich grosses Verständnis dafür herausgehört, dass die Rolle der Schweiz bei diesem Krieg in Europa bei uns kontrovers diskutiert wird. Ich habe keinerlei Befehlsausgabe vernommen – das finde ich auch richtig.»
Der ukrainische Präsident erwähnte die Wichtigkeit der Sanktionspakete und der Vermögenssperren. Und von jeder Waffe, die seinem Land helfe, sich vom russischen Terror zu befreien.
FDP-Nationalrätin Maja Riniker brachte im Nationalrat ihren Vorstoss durch, 25 Leopard-2-Panzer an Deutschland zurückzuverkaufen. Hat sie aus den Äusserungen von Selenski Druck herausgehört? «Bezogen auf die Panzerfrage habe ich das nicht», antwortet Riniker. «Aber Selenski hat klar gesagt, dass unsere Wiederausfuhrverbote im europäischen Kontext ein Hindernis bei Waffenlieferungen darstellen.»
Schweizer Rolle bei Friedensplan
Die Stühle im Nationalrat waren nicht alle besetzt, ein paar FDP-Politiker fehlten, und in den Reihen der SVP sass kaum jemand. Die SVP fand es falsch, dem ukrainischen Präsidenten einen Auftritt im Parlament zu erlauben.
Dennoch zugehört hat SVP-Aussenpolitiker Franz Grüter. Seine Reaktion vor dem Bundeshaus auf die Selenski-Rede: «Es hat mich positiv beeindruckt, dass Selenski von einem Friedensplan spricht und die Schweiz bei Friedensverhandlungen in einer Rolle sehen könnte. Das höre ich zum ersten Mal und das nehme ich trotz allem als positiven Punkt mit.» Für Grüter hat Selenski jedoch klar Waffenlieferungen gefordert, aber das sei zu erwarten gewesen.