Manchmal, da brauchen Politikerinnen und Politiker einen langen Atem. Einerseits, weil die Mühlen der Schweizer Politik langsam mahlen, ein andermal, weil man in gewissen Vorlagen um Details kämpft. So geschehen heute am zweiten Tag der Herbstsession im Nationalrat.
Fenster oder Lüftung?
Dort ging es um die Revision des Umweltschutzgesetzes. Seit zehn Jahren diskutieren National- und Ständerat über Lockerungen beim Lärmschutz. Die Geduld, sich mit der Revision zu befassen, die scheint langsam zu schwinden. So bitten denn auch mehrere Nationalrätinnen und Nationalräte – und sogar Bundesrat Albert Rösti: «Lasst uns das endlich zu Ende bringen.»
Einsperren sollte man die Menschen dann doch nicht.
Doch worum geht es eigentlich genau? Bund und Parlament wollen die Vorschriften zum Lärmschutz lockern, damit das Bauen von Wohnungen und Häusern in lauten Gebieten erleichtert wird. Wie stark dieser Lärmschutz gelockert werden soll, darüber wird diskutiert. Der Ständerat ist der Ansicht, dass es keine ruhigen Fenster – also Fenster, in denen der Lärmpegel im Grenzwert liegt – zum Lüften braucht, da man stattdessen kontrollierte Lüftungen einbauen könne.
Verdichtetes Bauen und Lärmschutz kommen sich in die Quere
Der Nationalrat sieht das anders: Er beharrt auf ein ruhiges Fenster zum Lüften, auch wenn eine Lüftung installiert ist. «Wir haben einen Zielkonflikt zwischen verdichtetem Bauen und dem Lärmschutz. Es ist gut, wenn man zugunsten von günstigem und qualitativ gutem Wohnraum die Praxis etwas lockert», sagte Stefan Müller-Altermatt, Mitglied der vorberatenden Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Nationalrats (Die Mitte/SO). «Aber einsperren sollte man die Menschen dann doch nicht.»
Eine Minderheit setzte sich im Nationalrat für die sogenannte Lüftungsfensterpraxis ein. Sie besagt, dass Wohnungsbau in Gebieten mit übermässigem Lärm dann möglich ist, wenn bei jeder Wohneinheit jeder lärmempfindliche Raum über ein Fenster verfügt, bei dem die Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Auch der Bundesrat befürwortet diese Praxis.
Wenn wir mehr günstigen Wohnraum wollen, dann müssen wir auch an Orten bauen, die nicht Premiumlagen sind.
Dagegen hielt etwa Christian Wasserfallen (FDP/Bern). Wenn man die Lüftungsfensterpraxis anwenden wolle, könne man in lärmbelasteten Gebieten faktisch keine Wohnungen bauen. «Wenn wir mehr günstigen Wohnraum wollen, dann müssen wir auch an Orten bauen, die nicht Premiumlagen sind.»
Der Nationalrat sprach sich denn auch für den Vorschlag der vorberatenden Kommission aus und gegen die Lüftungsfensterpraxis.
Einigkeit der Räte bei Flughafenthematik
Einig sind sich National- und Ständerat bei Erleichterungen für den Wohnungsbau in Flughafennähe. Der Nationalrat verzichtet auf seine ursprüngliche Forderung nach spezifischen Fluglärm-Grenzwerten in Flughafennähe.
Ein weiteres Kernthema der Revision des Umweltschutzgesetzes ist die Altlastensanierung. Der Bundesrat will sie beschleunigen. Der Nationalrat hält an seiner Position fest, dass grundsätzlich die Eigentümer der Standorte für die Kosten zur Untersuchung und Sanierung privater Spielplätze und Hausgärten aufkommen müssen. Das entspricht aus seiner Sicht dem Verursacherprinzip.
Der Ständerat will diese Bestimmung streichen. Zur Bereinigung der übriggebliebenen Differenzen geht die Vorlage also – einmal mehr – wieder zurück an den Ständerat.