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Die etwas anderen News Refugees Welcome – SVP-Präsident sagt: «Aber subito!»

Der syrische Diktator Baschar al-Assad ist gestürzt, das unterdrückte Volk jubelt und Marcel Dettling ruft auf zur Ausschaffungspolonaise. Suboptimale Abschiedsgrüsse aus dem Land mit der humanitären Tradition.

Renato Kaiser 

Kabarettist

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Mit seiner geschliffenen Sprache trägt Renato Kaiser unentwegt kritische Gedanken an sein Publikum. Diese werden mit so viel Dampf vorgetragen, dass man dabei nicht nur bestens unterhalten, sondern auch regelrecht mitgerissen wird. Die Arbeit des gebürtigen St. Gallers wurde 2020 mit dem Salzburger Stier geehrt. Kaiser ist Co-Head-Writer der «Sendung des Monats» und aktuell mit seinem vierten Bühnenprogramm «NEU» auf Deutschschweizer Bühnen zu sehen.  

In Zeiten, in denen antidemokratische Bewegungen weltweit auf dem Vormarsch sind, ist es eine willkommene Abwechslung, wenn mal ein Diktator so richtig schön verjagt wird. Die syrische Bevölkerung reitet auf abgerissenen Assad-Statuen durch die Strassen der Stadt: Selten war ein Fasnachtswagen so politisch korrekt.

Die Freude ist gross. Auch bei Marcel Dettling. «Alle Syrer retour, aber subito!», ruft er aus dem Parlament und man fragt sich, ob der SVP-Präsident Leute, die auf dem Weg nach Hause sind, immer so verabschiedet.

Denn jeder gestürzte Diktator im Ausland ist ein Geschäftspartner weniger für die Schweiz.

Der ganze Satz von Dettling lautete: «Wenn Syrer hier über das Ende von Assad jubeln, sollen sie auch gleich alle retour, aber subito!» Als wäre das Jubeln ein zusätzliches Kriterium für den Landesverweis. Und es stimmt natürlich: Es ist nicht schweizerisch, zu jubeln. Über einen gestürzten Diktator. Denn jeder gestürzte Diktator im Ausland ist ein Geschäftspartner weniger für die Schweiz.

«Feiern beim Ausweisen» könnte der Titel vom Parteiprogramm der SVP sein. Ihre Antwort auf Warteschlangen vor den Bundesasylzentren wären wohl Ausschaffungspolonaisen.

Wegen des Fachkräftemangels sind wir auf syrische Arbeitskräfte angewiesen.

Zu Dettlings Aussage: Das geht einfach nicht. Also auch praktisch. Es können nicht «alle Syrer retour, aber subito!», die sind zum grössten Teil schon lange in der Schweiz, haben eine Aufenthaltsbewilligung, Familie, Kinder und Jobs. Wegen des Fachkräftemangels sind wir auf syrische Arbeitskräfte angewiesen, auch im Gesundheitswesen oder in anderen systemrelevanten Berufen. Wie der Coiffeur aus Bümpliz, der seit 2003 in der Schweiz ist und in der Zeitung sagt: «Es ist zu früh, um zu sagen, wie es für Syrien weitergeht. Positiv ist, dass Assad weg ist.»

Es ist wichtig, dass man Politikern genau zuhört.

Und der Coiffeur aus Bümpliz gibt damit nicht nur ein staatsmännischeres Statement ab, als der Präsident der mächtigsten Partei der Schweiz, der kann auch nicht «retour nach Syrien, aber subito!», denn: Der hat Termine! Und wir wissen, wie schwierig es ist, einen Termin bei einem guten Coiffeur zu bekommen. Stellen Sie sich vor, Sie haben endlich einen gefunden, der die perfekte Dauerwelle macht, Sie stehen seit Wochen auf der Warteliste und dann steht eines Tages an der Türe: «Wegen Jubel über Sturz eines Diktators geschlossen.»

Es ist wichtig, dass man Politikern genau zuhört. Marcel Dettling sagt: Menschen, die vor einem Diktator geflüchtet sind, sollen zurück in ihr Land, wenn der Diktator weg ist. Damit sagt er im Umkehrschluss auch: Wenn Menschen vor Diktatoren flüchten, dann machen sie das rechtsmässig und sollen … kommen! Refugees Welcome! Gut zu wissen. Schliesslich ist die Lage in Syrien immer noch unübersichtlich. Wenn aus den Rebellen wieder ein Diktator hervorgeht, der Menschen verfolgt, sagt Marcel Dettling also: «Alle Syrer retour in die Schweiz. Aber subito!»

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Bissiger Spass im satirischen Wochenrückblick. In der Radio-Kolumne «Zytlupe» analysieren starke Stimmen die Hochs und Tiefs der Politwoche : ungefiltert und ungeniert unkorrekt. Alle «Zytlupe»-Artikel finden Sie hier.

SRF 1, Zytlupe, 14.12.2024, 13:00 Uhr

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