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Agroscope-Forschende: «Weiss der Landwirt, was er in der Gülle drin hat, kann er einschätzen, wie viel Gülle er aufs Feld bringen soll»
Aus Regionaljournal Zentralschweiz vom 12.06.2023. Bild: zvg/Agroscope
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Schadstoffe durch Tierhaltung Dieses Spezialgerät scannt die Gülle von Luzerner Bauernhöfen

Ein Forschungsprojekt des Bundes nimmt die Gülle von über 20 Betrieben unter die Lupe. Nun liegen erste Ergebnisse vor.

Schweizer Bäuerinnen und Bauern stellen sich einer Herkulesaufgabe: Sie müssen ihre Umweltbilanz aufbessern. Also dafür sorgen, dass die Landwirtschaft weniger Schadstoffe produziert.

Damit dies gelingt, sollen über die Gülle nur so viele Nährstoffe in den Boden, wie dieser zu schlucken vermag. Damit Überschüsse an Phosphor oder Stickstoff beispielsweise nicht im Bach landen oder in die Luft entweichen.

Darum sind zu viel Stickstoff und Phosphor problematisch

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Stickstoff und Phosphor werden in der Landwirtschaft als Düngemittel eingesetzt. Bei beiden Substanzen ist das Problem: Wenn die dem Boden zugeführte Menge grösser ist als diejenige, die dem Boden in Form von Tierfutter wieder entzogen wird, ergibt dies einen Überschuss.

Schädlich für Luft, Land und Wasser

Vom überschüssigen Stickstoff entweicht gemäss dem Bundesamt für Statistik ein Teil als Ammoniak in die Luft, ein anderer Teil wird als Nitrat ins Grundwasser ausgewaschen.

Überschüssiger Phosphor wiederum kann via Boden in Gewässer gelangen und insbesondere in Seen das Algen- und Pflanzenwachstum fördern. Wenn diese dann aber absterben, sinken sie auf den Grund. Bakterien und Pilze bauen sie dort ab und verbrauchen dabei viel Sauerstoff. Sauerstoff, der dann beispielsweise den Fischen fehlt.

Bund verfehlt sein Ziel

Der Bund strebt bis 2030 eine Reduktion der Stickstoff- und Phosphorverluste um 15 bis 20 Prozent an – im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2016. Stand jetzt wird dieses Ziel allerdings nicht erreicht.

Überdurchschnittlich hohe Schadstoffwerte weisen vor allem Regionen mit hohen Tierbeständen auf. Also etwa Luzern. Hier grunzt fast ein Drittel aller Schweizer Schweine. Und auch gut jedes zehnte Rind schweizweit lebt in diesem Kanton.

Agroscope – das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung – nimmt seit einem Jahr 26 Luzerner Höfe unter die Lupe. Jetzt liegt die erste Auswertung vor. Das Fazit? Positiv.

Tierfutter: Ist drin, was draufsteht?

Agroscope analysiert zum einen das Tierfutter. Salopp gesagt schauen die Forscherinnen und Forscher, ob das, was die Tiere fressen, mit den Werten übereinstimmt, die Futtermühlen liefern. Das Resultat: ein Volltreffer. Dieses Wissen hilft dem Bauern, beispielsweise eine gewisse Milchleistung zu erzielen.

«Der Landwirt möchte seine Tiere optimal füttern», sagt Thomas Steinsberger, der wissenschaftliche Projektleiter der Versuchsstation. «Er braucht die Information, wie viele Nährstoffe sein Futter hat, um seine Tiere nicht zu überfüttern und damit von Anfang an zu viele Nährstoffe ins System zu bringen.»

Spezialgerät scannt Gülle

Nebst dem Futter knöpft sich Agroscope auch die Gülle vor. Das Wissenschaftsteam pumpt sie dafür durch ein spezielles Gerät, das sogenannte Nahinfrarotspektrometer. Der Bauer erfährt in Echtzeit, wie viel Stickstoff oder Phosphor in seiner Gülle steckt.

«Weiss der Landwirt, was er effektiv drin hat, kann er auch einschätzen, wie viel Gülle er aufs Feld bringen soll», sagt Corinne Boss, Geschäftsleitungsmitglied von Agroscope. Und Steinsberger ergänzt: «Wenn ein Landwirt weiss, dass seine Kulturen einen bestimmten Bedarf an Stickstoff haben, will er diesen mit seinem Hofdünger decken.» Und nicht mit zugekauftem Mineraldünger.

Forschungsteam spürt Wissensdrang der Bauern

Das spezielle Gülle-Messgerät steht aktuell auf dem Hof von Markus Gisler in Gunzwil. Ein 18-Hektaren-Betrieb mit knapp 40 Kühen und rund 300 Mastschweinen.

«Anfänglich habe ich vor allem aus Gwunder zugesagt», sagt Gisler. «Mittlerweile geht es mir vor allem um die Zielkontrolle.»

Bei der Schweinemast setze er neu drei Futtermittel ein. Das wirke sich auf den Hofdünger aus, wie Proben alle sechs Wochen zeigen. Weiter hat Gisler sein Güllesilo decken lassen, damit weniger Ammoniak in die Luft entweicht. Auch dies wollen die Forschenden mit Messungen nachweisen.

Darum ist Ammoniak problematisch

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Ammoniak ist gemäss dem Bundesamt für Umwelt ein Luftschadstoff, der aus dem Harnstoff von Nutztieren wie Kühen und Schweinen entsteht. Im Stall und beim Güllen entweicht Ammoniak in die Luft und gelangt früher oder später wieder auf den Boden oder in die Gewässer. In Wäldern, auf Wiesen und Mooren führt die Ablagerung dieses Stickstoffs zu Überdüngung und Versauerung.

Es sei spannend zu sehen, was in der Gülle drin stecke, meint Bauer Gisler. Dies sei auch der Tenor der übrigen Teilnehmenden, sagt Corinne Boss von Agroscope. «Die Landwirte haben ein grosses Interesse, sich weiterzuentwickeln.» Es sei sehr wichtig, Bäuerinnen und Bauern in die Wissenschaft miteinzubeziehen. «Damit das Verständnis da ist, etwas zu verändern. Und sie Verbesserungen 1:1 auf ihren Feldern sehen.»

Das Forschungsprojekt startet nun ins zweite, letzte Jahr. Skepsis spüre sie nicht, sagt Boss. «Unser Ziel ist es, von den Betrieben wissenschaftlich fundierte Ergebnisse zu haben und nicht Politik zu machen.»

SRF 1, Regionaljournal Zentralschweiz, 12.06.2023, 12:03 Uhr ; 

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