Für ungeimpfte Personen bedeutet die 2G-Regel, die seit heute Montag praktisch flächendeckend gilt, quasi einen Ausschluss vom öffentlichen Leben. Wie kommt das in der Bevölkerung an? Michael Hermann analysiert die Lage und spricht auch über die möglichen politischen Auswirkungen.
SRF News: Noch vor ein paar Monaten dachte man, dass die Zeit von harten Corona-Massnahmen vorbei sei. Trägt die Bevölkerung diese nun noch mit?
Michael Hermann: Ja, eine grosse Mehrheit trägt sie mit. Das hat zum einen eine ganz aktuelle Umfrage des Link-Instituts im «Sonntagsblick» am Sonntag gezeigt. Auch das Abstimmungsresultat des 28. Novembers ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass die Massnahmen mitgetragen werden. Die Bevölkerung will, dass die Regierung Massnahmen trifft, die dazu führen, dass die Intensivstationen nicht überlastet werden.
Könnte die Stimmung kippen?
Die Stimmung ist nicht besonders gut. Doch man ist mittlerweile daran gewöhnt, mit diesen Massnahmen zu leben. Man hat gelernt, wie man mit Homeoffice umgeht, solange die Kinder noch in der Schule sind. Die Schliessungen der Schulen in der ersten Welle haben die grössten psychischen Belastungen ausgelöst. Der Unterschied ist die Stimmung bei den Nicht-Geimpften. Für sie wird es zunehmend schwierig, weil sie speziell unter Druck sind. Das Verständnis für sie wird bei der anderen – der grössten – Gruppe, den Geimpften, immer kleiner.
Es ist häufig so, dass die direkte Demokratie dazu führt, dass Konflikte frühzeitig diskutiert werden, frühzeitig ausbrechen.
Wird es von den Ungeimpften Widerstand geben?
Bei uns hat schon die anstehende Abstimmung die Spannungen an die Oberfläche gebracht. Es ist häufig so, dass die direkte Demokratie dazu führt, dass Konflikte frühzeitig diskutiert werden, frühzeitig ausbrechen. Wenn nicht nur eine, sondern zwei Abstimmungen in die gleiche Richtung ausgehen und die zweite Abstimmung sogar noch klarer herauskommt, dann führt das zu einer Beruhigung der Situation. Die Opposition ist nicht verschwunden, aber sie ist weniger laut, weil sie nicht mehr für sich in Anspruch nehmen kann, eine nicht erkannte Mehrheit zu vertreten. Sie selbst hat ja dieses Referendum ergriffen und damit dazu beigetragen, dass klar ist, dass eine Mehrheit etwas anderes will. In Deutschland und Österreich ist dies anders.
Kann man grundsätzlich sagen: Ein Grossteil der Bevölkerung steht in Sachen Coronapolitik hinter dem Bundesrat?
Das kann man absolut so festhalten. Das wissen nun auch die, die nicht geimpft sind. Hatten sie vor der Abstimmung eher noch den Eindruck, der Bundesrat beschliesse etwas über die Köpfe der Menschen hinweg, wissen sie jetzt, dass die Mehrheit der Bevölkerung auch findet, man müsse eine griffige Coronapolitik machen.
Die SVP war die einzige Partei, die sich vor der Abstimmung gegen das Covid-Gesetz stellte. Seither hat sich die Pandemie-Situation wieder zugespitzt und der Bundesrat hat die Massnahmen verschärft. Wie haben sich denn die politischen Fronten seitdem entwickelt?
Grundsätzlich sind sie noch ähnlich. Die SVP hat sich zwar gegen die Massnahmen geäussert. Aber allein die Tatsache, dass das Gesetz so klar angenommen wurde, hat ihr ein bisschen die Energie weggenommen. Vermehrt rufen auch ihre Exponenten und Exponentinnen zum Impfen auf. Albert Rösti ist dafür ein gutes Beispiel. Pierre Alain Schnegg, der Gesundheitsdirektor des Kantons Bern, hat sein Unverständnis mit den Ungeimpften ebenfalls geäussert. Auch viele Leute, die der SVP nahestehen, wollen nicht, dass die IPS überlastet sind.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.