Was soll die Schweiz mit den von syrischen Kurden internierten IS-Verdächtigen machen? Lange hat der Bundesrat geschwiegen, diese Woche äusserte sich Justizministerin Karin Keller-Sutter: Sie sieht eine Gefahr für die Bevölkerung, sollten diese Personen repatriiert werden.
Laut kurdischen Angaben handelt es sich um drei Frauen, ein Kleinkind sowie einen Mann. Doch es könnten mehr sein – rund 20 Schweizer IS-Anhänger sollen in der Region auf freiem Fuss sein.
Gefahr für die Schweiz?
Zwei der Inhaftierten, eine Mutter aus Lausanne sowie ihr Mann, haben mehrfach betont, sie würden ihren Anschluss an den IS bereuen. Nun möchten sie zurück in die Schweiz, auch zum Wohl ihres Babys. In ihren Berichten gibt es Widersprüche. In einem Interview mit «10vor10» äusserte die Frau zudem Verständnis für Terroranschläge in Europa als Reaktion auf Luftschläge in Syrien und Irak.
Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt der Terrorismus-Analyst am Geneva : «Gehen wir davon aus, dass diese Leute zurückkommen und ein paar Jahre im Gefängnis bleiben und später wieder frei sind aber ihre Ideologie des Kalifats behalten haben: sie werden symbolisch eine Rolle spielen.» Will heissen: sie könnten im extremistischen Netzwerk zu einer Art Helden werden und weitere radikalisieren.
Gerichtsverfahren in Syrien schwierig
Keller-Sutter sähe es daher lieber, wenn die IS-Verdächtigen – gegen die auch die Schweizer Bundesanwaltschaft Strafverfahren eröffnet – in Syrien vor Gericht gestellt würden. Dies lehnt die lokale kurdische Verwaltung ab.
Auch für Amnesty International sind Gerichtsverfahren in Syrien keine Option. Faire Prozesse seien nicht garantiert, sagt die Schweizer Geschäftsleiterin Manon Schick.
International steht nun eine andere Idee zur Debatte: ein UNO-Tribunal. Klingt gut, sagt Schick – aber: «Es müsste ein UNO-Sicherheitsratsentscheid für ein solches Gericht geben und Russland würde sein Veto einlegen.» Ausserdem würde ein solches Tribunal nur die schlimmsten Verbrechen verurteilen. «Es ist nicht gedacht für Frauen, die nicht gekämpft haben.»Keller-Sutter befürchtet zudem, in der Schweiz würden Beweise fehlen für die Taten in Syrien und Irak. Terrorexperte Rouiller räumt ein, dass solche Verfahren komplex und aufwändig seien. Aber es gäbe Indizien: «Dokumente aus dem IS, Social Media-Einträge und Einvernahmeprotokolle von deutschen, französischen oder belgischen Dschihadisten, die möglicherweise Elemente über unsere Verdächtigen haben.»
Auch Schick findet: Die Schweiz sei – trotz der bestehenden Risiken – wohl gerüstet, um mit der überschaubaren Anzahl IS-Rückkehrer umgehen zu können.
Die Landesregierung wird entscheiden
Der Entscheid liegt beim Bundesrat. Als Grundlage dient ein geheimes Dokument mit «Handlungsoptionen» für die Schweiz. Kommende Woche wird zunächst der Sicherheitsausschuss des Bundesrats darüber beraten. Später wird der Gesamt-Bundesrat entscheiden.
Eine Rückkehr sei für die Schweizer Behörden zwar eine zusätzliche Belastung, aber zu verkraften, sagen auch Sicherheits-Experten des Bundes, die nicht namentlich zitiert werden wollen. Die Zahl sei überschaubar, der Nachrichtendienst verfüge heute über mehr Kompetenzen und die Polizei habe aufgerüstet für die Terrorabwehr.