Der eigentliche Paukenschlag ging der Sommersession voran: Der Bundesrat liess am Mittwoch vor der Session das Rahmenabkommen mit der EU fallen. Das Rahmenabkommen, über Jahre der Elefant im Schweizer Politraum, ist damit ad acta gelegt.
SVP-Nationalrat Roger Köppel frohlockte in der Debatte Tage danach: «Der 26. Mai 2021 war ein guter Tag, ein Feiertag, eine Sternstunde in der Geschichte der Eidgenossenschaft.»
Andere sahen das freilich nicht so. «Der Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommens ist ein komplettes Versagen des Bundesrates, ein aussenpolitisches Fiasko ohnegleichen», monierte GLP-Nationalrat Roland Fischer. Und der Bundesrat? Ignazio Cassis bemühte ein indisches Sprichwort: «If it’s all grey in front of you, move the elephant – wenn vor dir alles grau ist, bewege den Elefanten.»
Am Ende der EU-Debatte im Nationalrat war man als Zuschauerin kaum schlauer – ein zukunftsgerichtetes Konzept, wie nun mit der EU weiter zu verfahren sei, wurde vom Bundesrat nur unscharf angedeutet. Cassis wiederholte, man wolle nun die EU milde stimmen, der Kohäsionsbeitrag sei zu deblockieren. Und: Man wolle auf jeden Fall mit der EU im Gespräch bleiben.
Der andere Elefant im Raum: die AHV
Und nach der Debatte ums Rahmenabkommen? Es war kein grosses Thema mehr. Der Scheinwerfer der Aufmerksamkeit richtete sich auf den anderen Elefanten im Raum: Die Schieflage der AHV. Die Vorlage dazu ist zwar eine Mini-Revision, aber trotzdem einschneidend für die Frauen – sie sollen gleich lange wie die Männer, also bis 65 Jahre, arbeiten. In diesem Punkt sind sich die Räte einig.
Nicht einig war man sich in Bundesbern allerdings darüber, mit welchen Massnahmen man den Frauen entgegenkommen soll. National- und Ständerat sprachen sich für ein Kompensationsvolumen von 40 beziehungsweise 22 Prozent aus. Der Ausgleich soll den Übergangsgenerationen zugutekommen. Bei der letzten AHV-Revision, bei der ebenfalls das Rentenalter der Frauen angehoben wurde, war das Parlament grosszügiger: Es kam den Frauen mit Ehegattensplitting und Erziehungsgutschriften entgegen.
Die Antwort der Frauen: Streik in violett
Die Gefahr besteht: Die Mini-Revision könnte später an der Urne scheitern – wenn das Parlament den Frauen nicht mehr entgegenkommt.
Ein paar Tage später dann: der Frauenstreik. In vielen Schweizer Städten schwenkten die Frauen violett. Mehrere Zehntausend Frauen forderten anständige Renten. Aber nicht nur wegen der Renten streikten die Frauen. Thema waren auch bessere Löhne, genügend Betreuungsplätze, Anerkennung für die Care-Arbeit und Massnahmen gegen Gewalt an Frauen.
Zur Politfinanzierung: mehr Transparenz
Freude hingegen dürften in dieser Session die Co-Präsidentinnen der Transparenzinitiative, Nadine Masshardt (SP/BE), Lisa Mazzone (Grüne/GE), Rosmarie Quadranti (BDP/ZH)* und Marianne Streiff-Feller (EVP/BE), gehabt haben. Nach langem Ringen gab der Ständerat dem Nationalrat beim Gegenvorschlag zur Initiative nach: Die Politfinanzierung soll künftig transparenter werden.
Ab einer Höhe von 15'000 Franken müssen Beiträge an Parteien und Komitees künftig offengelegt werden. Auch die Gelder für Abstimmungskampagnen sollen transparent sein, sofern die Kampagnen total mehr als 50'000 Franken Budget aufweisen. Die Damen wollen nun ihre Initiative zurückziehen.
Keine Elefantenrunde mehr: Gössis Rücktritt
Die wahre Polit-Überraschung lieferte in den letzten drei Wochen aber nicht das Parlament selber, sondern die Bevölkerung: Mit knappen 51 Prozent lehnten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger das CO2-Gesetz ab. Die SVP hatte die breite Allianz aus Parteien, Verbänden und Organisationen im Alleingang gebodigt.
Einen Tag später trat Petra Gössi von ihrem Amt als FDP-Präsidentin zurück. Sie hat den neuen Klimakurs der FDP mitzuverantworten. Gössi selber betonte, ihr Rücktritt habe nichts mit der Abstimmung zu tun. Tatsächlich dürfte sie ihre Neuausrichtung schon länger geplant haben, sagen Beobachter. Ihr Abgang hätte wohl mit dem Ja zum CO2-Gesetz gekrönt werden sollen. Dieser Plan ist schiefgelaufen.
*Quadranti ist nicht mehr im Nationalrat.