Jeden Herbst brechen weltweit etwa 50 Milliarden Zugvögel zu ihren Winterquartieren auf. Fünf Milliarden von ihnen machen sich auf die Reise von Europa nach Afrika. Doch nicht die Kälte treibt sie in den Süden – es ist der Mangel an Nahrung.
Wenn es kalt wird, hat es hierzulande kaum mehr Insekten. Vögel, die sich von Insekten ernähren, ziehen deshalb im Winter weg, wie Livio Rey von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach erklärt. Vögel, die ihre Ernährung umstellen können oder ohnehin auch Körner fressen, bleiben hier.
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Bild 1 von 5. Zieht es als einen der ersten Vögel Richtung Süden: Der Kuckuck, ein Langstreckenzieher. Bildquelle: imago images/blickwinkel/M.Woike .
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Bild 2 von 5. Der Schwarzmilan ist im Gegensatz zum Rotmilan ein ausgesprochener Zugvogel. Er gehört zu den Langstreckenziehern. Bildquelle: IMAGO/Hohlfeld .
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Bild 3 von 5. Der Mauersegler sieht einer Schwalbe ähnlich, fliegt aber rasanter. Auch er ist ein Langstreckenzieher. Bildquelle: Keystone/Keystone/SCHWEIZER VOGELSCHUTZ BIRDLIFE.
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Bild 4 von 5. Der Pirol, ein Langstreckenzieher: Seine nächsten Verwandten leben in den Tropen in Afrika und Asien. Bildquelle: imago images/blickwinkel/H. Duty.
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Bild 5 von 5. Auch der Star gehört zu den Vögeln, die den Winter im Süden verbringen. Bildquelle: Getty Images/Adsiz Gunebakan .
Als erste Vögel verlassen jeweils Kuckucke die Schweiz. Schon ab Mitte Juli brechen sie zu ihren Wintergebieten südlich der Sahara auf. Kurz darauf folgen weitere Langstreckenzieher wie Mauersegler, Schwarzmilan und Pirol.
«Grundsätzlich gilt: Je früher die Vögel abfliegen, desto eher überwintern sie in Afrika», sagt Rey. Diejenigen Vogelarten, die in Südfrankreich oder Spanien überwintern, brechen später auf. Gegen Oktober verlassen in der Regel die letzten Vögel, die es in den Süden zieht, die Schweiz.
Innere Uhr zeigt Zeit zum Abflug
Während die Kurzstreckenzieher teilweise flexibel auf aktuelle Witterungsbedingungen reagieren, ist es bei Langstreckenziehern stark in den Genen verankert, wann sie abfliegen müssen. «Bei einer bestimmten Tages- und Nachtlänge werden Hormone aktiviert, dann beginnt bei den Vögeln die Zugunruhe», erklärt Rey.
Diese starke innere Uhr wird zunehmend zu einem Problem für die Vögel. Denn durch die Klimaerwärmung beginnt in Europa der Frühling jährlich früher. Die Langstreckenzieher verändern ihren Zeitplan aber nur geringfügig. Dadurch verpassen sie die besten Bedingungen für ihre Brutzeit und haben laut Rey teilweise weniger Junge oder können diese weniger gut ernähren.
Von den Kurzstreckenziehern bleiben hingegen gewisse Vögel, die früher im Winter immer in den Süden flogen, vermehrt in der Schweiz. Dazu gehören etwa Weissstörche und Rotmilane.
Für einige Vögel ist die Schweiz der Süden
Mit dem jährlichen Wegzug der Zugvögel aus der Schweiz sei der Vogelzug ausserdem nicht vorbei, betont Rey. Denn die Seen der Schweiz seien für viele Wasservögel ein attraktives Winterquartier. Rund eine halbe Million Wasservögel verbringt den Winter jeweils hier, wie man von entsprechenden Zählungen weiss.
Allerdings nimmt die Zahl der in der Schweiz überwinternden Wasservögel ab, denn mit dem Klimawandel frieren auch in den weiter nördlich gelegenen Brutgebieten vieler Vögel die Seen im Winter nicht mehr zu.
Dem Trend der vorhergehenden Jahre folgend, waren die Bestände der überwinternden Wasservögel auch im letzten Winter sehr tief. Im Januar 2024 wurden in der Schweiz inklusive Grenzgewässer nur etwa 360'000 Individuen gezählt.