1970 wollte die «SchwarzenbachInitiative» den Ausländeranteil in der Schweiz auf zehn Prozent begrenzen. Die Debatte schwang zwischen Ressentiments und Wirtschaftsinteressen. Die damals abgelehnte Vorlage ist Geschichte. Doch das Thema Zuwanderung ist es nicht.
Wie eine aktuelle Studie von Avenir Suisse zeigt, tragen Ausländerinnen und Ausländer hierzulande überdurchschnittlich viel zur Innovationsentwicklung bei. Autor Patrick Leisibach bezeichnet die Wirtschaftsgeschichte der Schweiz als eine Migrationsgeschichte.
So gründeten Eingewanderte weltberühmte Unternehmen und legten den Grundstein für Branchen, die heute Teil der DNA der Schweizer Wirtschaft sind. 13 der 20 Unternehmen im Swiss Market Index (SMI) wurden ursprünglich von Personen ohne roten Pass gegründet oder mitbegründet – beispielsweise Nestlé, Roche, Novartis, ABB, Lonza, Sika oder Swiss Re.
Während ihr Anteil an der Bevölkerung aktuell 26 Prozent beträgt, stellen ausländische Personen knapp 40 Prozent aller Unternehmensgründungen. 50 Prozent sind es bei Start-ups und 78 Prozent bei «Unicorns» (zu Deutsch: «Einhörner») – einer Handvoll Start-ups mit einem Marktwert von über einer Milliarde US-Dollar.
Zudem haben gemäss der Studie 52 Prozent der Personen in der Forschung und 37 Prozent aller Erfinderinnen und Erfinder nur einen ausländischen Pass. Die Zahlen basieren dabei auf den Patentanmeldungen.
Ein ähnliches Bild zeigt sich an Hochschulen: 51 Prozent der Professuren und 74 Prozent der MINT-Abschlüsse (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sind in Händen ausländischer Staatsangehöriger.
In der Studie wird der Effekt der Zuwanderung ausschliesslich anhand der Staatsangehörigkeit gemessen. Weitere Personen mit Migrationshintergrund sind nicht erfasst. «Folglich dürfte die Zuwanderung für die Innovationskraft der Schweiz noch wichtiger sein», heisst es von Avenir Suisse.
«Die Schweiz ist eine kleine Volkswirtschaft. Das Thema Immigration ist wichtig», sagt auch Wirtschaftshistoriker Bernhard Ruetz. Eine Besonderheit für ihn: «Im Unterschied zu anderen Staaten hat die Schweiz eine Art qualifizierte Immigration.»
Für die Schweiz ist dieser Austausch natürlich besonders wichtig.
Für Astrid Epiney ist klar, «dass alle Staaten den internationalen Austausch brauchen.» Gleichzeitig betont die Vorsteherin der universitären Hochschulen: «Für ein Land wie die Schweiz, die in Anbetracht ihrer Grösse überproportional viele hervorragende universitäre Hochschulen hat, ist dieser Austausch natürlich besonders wichtig.»
Kurzfristig empfiehlt die Studie von Avenir Suisse, das Zuwanderungssystem für Hochschulabsolventen mit Drittstaatsangehörigkeit (nicht EU/EFTA) zu vereinfachen. Zudem sollen bestehende Kontingente an die demografische Entwicklung angepasst und «Start-up-Visa» eingeführt werden. Diese Visa sollen ausländische Personen anziehen, die in der Schweiz ein Unternehmen gründen oder in eine Gründung investieren wollen.
Ständerat steht bei Lockerung auf Bremse
Die Forderungen sind nicht neu. Auch parlamentarische Vorstösse und die Überarbeitung des Ausländer- und Integrationsgesetzes kommen in Bern immer wieder zur Sprache.
Eine Lockerung ist derzeit allerdings wieder in der Schwebe: Noch im Juni dieses Jahres war der Ständerat auf eine entsprechende Vorlage eingetreten. Am Dienstag nun die Kehrtwende: Der Ständerat will eine Überarbeitung durch den Bundesrat.