Kurz nach der Bekanntgabe der Wahl von Elisabeth Baume-Schneider rang Joël Burkhalter, Gemeindepräsident von Courrendlin bei Delémont, um Worte: «Es ist fantastisch, ein guter Tag für den Kanton Jura!» Es sei ein sehr emotionaler Moment, fügte der Parteikollege der neuen Bundesrätin unter Tränen an – und diese Tränen stehen auch dafür, was es für den Kanton und die meisten seiner Bewohnerinnen und Bewohner bedeutet, nun eine Bundesrätin zu stellen.
Auch für die jurassischen Besucher auf dem Bundesplatz ist es ein ganz spezieller Moment. Einer erzählt, das letzte Mal, als sie mit jurassischen Fahnen auf dem Bundesplatz gewesen seien, sei 1979 gewesen – und damals seien sie noch verhaftet worden. Es sei seither viel passiert, fügt er an.
Der Wirtschafts- und Gesundheitsdirektor des Kantons Jura, Jacques Gerber, sagt derweil: «Die Wahl zeigt: Der Kanton Jura ist einer geworden wie die anderen auch. Das ist positiv – für die ganze Schweiz.»
Konfliktreiche Geschichte
Es war ein langer Weg, nicht nur bis zur eigenen Bundesrätin, sondern überhaupt bis zum eigenen Kanton. Dieser kam erst am 1. Januar 1979 zustande, nachdem das Schweizer Stimmvolk am 24. September 1978 Ja gesagt hatte.
Beim Wiener Kongress 1815 war das Gebiet des heutigen Juras dem Kanton Bern zugesprochen worden. Darauf kam es immer wieder zu Konflikten mit der Berner Regierung. Doch die Zäsur geschah 1947. Der Jurassier Georges Möckli trat aus der Berner Regierung zurück, weil ihm das Baudepartement aufgrund seiner französischen Muttersprache verwehrt wurde.
Ab da gibt es immer wieder Proteste der Separatisten aus den katholischen Jura-Gebieten – häufig friedlich, es kam aber auch zu Gewalt. Die «Front de libération jurassien» und später die «Beliérs» sind für zahlreiche Anschläge mit hohem Sachschaden verantwortlich. Nach 1979 kämpfen die «Béliers» weiter. Für den Anschluss des Südjuras, der beim Kanton Bern verblieben war – und das ausser Moutier auch bleiben sollte.
Doch 1979 ist das primäre Ziel erreicht – ein eigener Kanton Jura. Und nun also die erste Bundesrätin. Das freut auch den Gründervater des Kantons Jura, François Lachat. Er gehörte der ersten Jurassischen Regierung an. Mittlerweile 80-jährig sagt er: «Zuerst sind wir auf Knien in die Schweiz gekommen, 1979 dann aufrecht und jetzt sind wir endlich im Salon angekommen». Salonfähig sei der Jura also mittlerweile, meint Lachat.
Für ihn ebenso symbolträchtig: Die gleichzeitige Wahl von Elisabeth Baume-Schneider mit einem Berner Vertreter, Albert Rösti – und das in aller Freundschaft. Das sei sehr positiv, so Lachat. Ist die Jura-Frage damit und mit dem bevorstehenden Kantonswechsel von Moutier endgültig gelöst? Er gebe darauf keine Antwort, sagt François Lachat.
Wir sind rebellisch, wir sind offen und direkt – und wir feiern gerne.
Er habe bereits der damaligen Bundesrätin Elisabeth Kopp gesagt: «Noch zwei Meter unter der Erde wird mein Skelett ‹Wiedervereinigung› sagen.» Sein Traum bleibt also weiterhin der Anschluss des Berner Juras.
Lachat gibt damit auch einen Hinweis auf die Identität der Jurassierinnen und Jurassier – auch auf die Sturheit, die mitgeholfen hat, dem jungen Kanton die erste Bundesrätin zu bescheren. Lachat charakterisiert denn seine Leute auch folgendermassen: «Wir sind rebellisch, wir sind offen und direkt – und wir feiern gerne.» Dazu hatten sie zumindest an diesem Mittwoch allen Grund.