Der Bund verbietet jede Art von Werbung für Tabakprodukte, die Kinder und Jugendliche erreicht. So steht es in der Verfassung. Doch daran halten müssen sich die Tabakkonzerne nicht. Die Anpassung des entsprechenden Gesetzes ist noch im Gang. Bis das Werbeverbot in etwa zwei Jahren in Kraft ist, dürfen Tabakunternehmen ihre Produkte weiter bewerben, in Zeitungen oder online.
Das stört die Stiftung Sucht Schweiz. «Natürlich kann man sagen, das Recht gibt ihnen die Möglichkeit, weiter Tabakwerbung zu machen, solange ein Gesetz nicht verabschiedet ist. Aber wir finden es schon stossend, dass munter weiter geworben wird und die Jugendlichen munter weiter in eine Nikotinsucht hineingezogen werden», sagt Markus Meury von der Stiftung.
Die Stiftung erwartet von der Tabakbranche mehr Zurückhaltung. Die Bevölkerung habe Ja gesagt. Da sei es weder moralisch noch demokratiepolitisch angebracht, die Werbekampagnen aufrechtzuerhalten.
Die Tabakfirmen sehen keinen Anlass, aufzuhören. Mehrere Konzerne betonen, man bewerbe die Jungen gar nicht mehr, die Werbung richte sich nur an Erwachsene. Kevin Sutter, Kommunikationschef der Schweizer Vertretung von Japan Tobacco International, sagt: «Minderjährige können unsere Produkte gar nicht kaufen. Es macht wirtschaftlich keinen Sinn, eine Zielgruppe zu bewerben, die unsere Produkte nicht kaufen kann.»
Gerade im digitalen Raum könne man gezielt nur Erwachsene anpeilen. «Man kann Kriterien definieren, bei welchen Besuchern einer Webseite die Werbung angezeigt wird und bei welchen nicht.» Die Kritik an der digitalen Tabakwerbung sei deshalb irreführend, sagt Suter.
Diese Werbung werde den Jungen gar nicht angezeigt. Auch der Schweizer Ableger von British American Tobacco schreibt, Werbung richte man nur an Erwachsene. Der Konzern vertreibt auch E-Zigaretten.
Tabakkonzerne fokussierten auf Junge zwischen 18 und 21 Jahren, sagt Meury von Sucht Schweiz. In diesem Umfeld erreiche die Werbung aber auch Jugendliche. «12- bis 17-Jährige schauen sich ähnliche Websites an und werden deshalb auch erreicht. Und das ist den Konzernen eigentlich ganz recht.»
Meury zitiert eine neue Umfrage bei 14- bis 17-Jährigen in der Romandie. Mehr als die Hälfte der über 1000 Befragten will im Internet und auf Social Media E-Zigaretten-Werbung gesehen haben. Deshalb sollten die Tabakfirmen ihre Werbung einschränken. Der Schutz der Jugend werde auch von der Bevölkerung unterstützt, so Meury. Das zeige unter anderem das Ja zum Tabakwerbeverbot.
«Gesellschaftliche Widersprüchlichkeit»
Für Markus Schäfer ist das nicht so klar. Er ist Staatsrechtsprofessor an der Universität Basel. Natürlich könne man die Werbung für Tabak verurteilen und einen Stopp fordern, bis das Gesetz in Kraft ist. Aber die Schweiz sei zu ambivalent in dieser Frage.
«Wir unterstützen den Tabakanbau. Wir haben das WHO-Übereinkommen nicht ratifiziert. Auf der anderen Seite betreibt beispielsweise das Bundesamt für Gesundheit sehr aktiv Tabakprävention. Das reflektiert letztlich die gesellschaftliche Widersprüchlichkeit dem Rauchen gegenüber», so Schäfer.
In diesem Umfeld könne von Unternehmen nicht erwartet werden, dass sie ein Gesetz einhalten, das noch gar nicht in Kraft sei. Schäfer mahnt deshalb zur Zurückhaltung vor allzu hohen moralischen Erwartungen.