Der erste Besuch Michail Gorbatschows in der Schweiz ging in die Geschichtsbücher ein. 1985 traf der damalige Präsident der Sowjetunion den US-Präsidenten Ronald Reagan in Genf. Der Besuch läutete das Ende der Eiszeit zwischen Ost und West ein.
Auch nach dem Zerfall der Sowjetunion blieb der ehemalige Chef der Kommunistischen Partei auf politischer Ebene weiterhin ein bedeutender Gast. Im Juni 1993 reiste er ein zweites Mal in die Schweiz und tourte fünf Tage durchs Land. Neben dem Besuch im Bundeshaus und von diversen Anlässen traf sich Gorbatschow mit dem damaligen Bundespräsidenten Adolf Ogi.
Die Todesnachricht habe ihn betroffen gemacht, sagt Ogi gegenüber SRF News. «Ich habe mich vor ein paar Tagen noch gefragt, wie es ihm wohl geht.» Gorbatschow habe mit seiner Politik von «Glasnost» (Offenheit) und «Perestroika» (Umgestaltung) ein neues Denken eingeführt. Sein Ziel sei es gewesen, die Welt besser und friedlicher zu machen. «Davor hatte ich einen grossen Respekt», so Ogi.
Gerade im Vergleich zu seinen beiden Nachfolgern sei Gorbatschow ein ganz anderer Schlag Mensch gewesen, sagt Ogi. Der Alt-Bundesrat hat in seiner Amtszeit sowohl Boris Jelzin als auch Wladimir Putin getroffen, die nach Gorbatschow an der Spitze Russlands standen. Ihr Auftreten sei sehr selbstbewusst, fast autoritär gewesen. Gorbatschow dagegen sei fast demütig gewesen: «Ein herzlicher, glaubwürdiger Mensch, der gut zuhören konnte.»
Gesundheitliche Probleme während Besuch
Eine wichtige Verbindung in die Schweiz für Gorbatschow war die Umweltschutzorganisation Internationales Grünes Kreuz (GCI). Als GCI-Präsident weihte er 1993 im Genfer Vorort Conches das operationelle Zentrum ein. Ein weiteres Mal reiste er 1997 für eine Tagung in die Schweiz. Wegen gesundheitlichen Problemen verlief der Besuch jedoch unverhofft.
Nach einem Treffen mit der Basler Regierung war Gorbatschow erschöpft und klagte über einen geschwollenen Hals. Er wurde ins Berner Inselspital eingeliefert und wegen einer allergischen Reaktion behandelt. Der Spitalaufenthalt dauerte nur wenige Tage und vor dem Rückflug konnte er bereits wieder scherzen.
GLP-Nationalrat Martin Bäumle führt die Schweizer Sektion von GCI und hat Gorbatschow häufig getroffen. So hätten sie sich auch privat ausgetauscht, beispielsweise über Themen wie die Beziehung zwischen Russland und der Ukraine. «Man konnte mit ihm offen über viele Dinge diskutieren. Das war immer sehr wertvoll», sagt Bäumle.
Er war warmherzig und ein hochintelligenter Mann
Der Tod Gorbatschows mache ihn sehr traurig, so der Nationalrat. «Er war warmherzig und ein hochintelligenter Mann», beschreibt er den ex-Präsidenten der Sowjetunion. «Er war für mich ein Jugendidol. Er hat die Welt zum Guten verändert.» Dass sie in den letzten Jahren keinen Kontakt mehr miteinander hatten, bedauert Bäumle.
Weil die Umweltschutzorganisation in finanzielle Schieflage geraten war, gab es zwischen den beiden Politikern einen Streit, der nie gelöst wurde. «Ich hatte leider nie die Gelegenheit, mit ihm das im positiven Sinne abzuschliessen», so Bäumle.
In der Schweiz ist Gorbatschow 2014 das letzte Mal öffentlich in Erscheinung getreten – anlässlich des 20-Jahr Jubiläums des Grünen Kreuzes Schweiz. Im Interview mit der Rundschau von SRF warnte er nach der Annexion der Krim davor, in die alten Ost-West-Muster zu verfallen. «Ein neuer Kalter Krieg wird anders sein als jener, der gewesen ist», so Gorbatschow.