Am 29. November beginnt im Berner Rathaus die zweiwöchige Wintersession. Für die 160 Grossrätinnen und Grossräte sollen dann jedoch minimale Corona-Schutzmassnahmen nicht gelten. Dies hat eine Mehrheit an einer Sitzung des Büros des bernischen Grossen Rats entschieden.
Regeln für alle, aber nicht für die Berner Parlamentarier
Im eng gestuhlten Grossratssaal können die Mitglieder des Kantonsparlaments die Abstände nur schlecht einhalten. Eng sitzen sie zwei Wochen lang auf ihren Plätzen. Und trotzdem sollen auf eine Zertifikatspflicht und auf Schutzmasken verzichtet werden. Was bei jeder Bahnfahrt und bei jedem Restaurantbesuch mittlerweile zum Alltag gehört, soll im Berner Rathaus nicht gelten.
Der Entscheid, auch auf minimale Schutzmassnahmen zu verzichten, hat in der bernischen Politik für Wirbel gesorgt. Andrea de Meuron, Fraktionspräsidentin der Grünen: «Wir Politikerinnen und Politiker haben eine Vorbildfunktion. Da kann es doch nicht sein, dass wir so ein schlechtes Beispiel abgeben.»
Stefan Jordi, Fraktionspräsident der SP, schüttelt ob des Entscheids den Kopf. Er kündet an, zu Beginn der Wintersession mit einem Ordnungsantrag den Entscheid umstossen zu wollen.
Bürgerliche Mehrheit kümmerte sich nicht um Empfehlungen
Erstaunlich ist: Auch auf die stellvertretende Berner Kantonsärztin hat das Büro des Grossen Rates nicht gehört. Laut mehreren unabhängigen Quellen hat sie für die Wintersession gleich mehrere Schutzmassnahmen empfohlen. Darunter zum Beispiel eine Plexiglasscheibe beim Rednerpult oder eine Maskentragpflicht im Rathaus. Die bürgerliche Mehrheit im Grossratsbüro ging auf die Empfehlungen jedoch nicht ein.
«Wir appellieren an die Eigenverantwortung», sagt SVP-Fraktionspräsidentin Barbara Josi. Sie vertritt im Berner Kantonsparlament die grösste Fraktion. Laut Josi gehe es nur noch darum, mit den Schutzmassnahmen Zwang auf Einzelne auszuüben. «Nehmen alle ihre Eigenverantwortung wahr, reicht das.»
Dies sieht Josis-Parteikollege, der bernische Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg offenbar anders. Aufgeschreckt durch den Entscheid des Büros des Grossen Rates, griff Schnegg in den letzten Tagen persönlich zum Telefon und sprach den Fraktionspräsidien noch einmal ins Gewissen. Angesichts steigender Corona-Zahlen ist das letzte Wort in dieser Angelegenheit wohl noch nicht gesprochen.