Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wirkt konzentriert, ernst, aber zuversichtlich, als er zu Beginn der Konferenz vor die versammelten Medien tritt. «Wir haben es zusammen geschafft, der Diplomatie eine Chance zu geben», sagt er.
Die Ukraine habe diesen Krieg nie gewollt, betont er. Es sei eine kriminelle Aktion Russlands. Der Einzige, der diesen Krieg gewollt habe, sei Putin.
Darum soll es laut Amherd gehen
Bundespräsidentin Viola Amherd kommt auf drei Punkte zu sprechen, auf die sich die Diskussionen konzentrieren sollen: nukleare Sicherheit, Ernährungssicherheit sowie den Austausch von Kriegsgefangenen und die Freilassung willkürlich inhaftierter Zivilisten und verschleppter ukrainischer Kinder.
Warum gerade diese drei Punkte? «Es handelt sich um Fragen von globalem Interesse, die eine grosse Anzahl von Staaten direkt betreffen und die bereits in verschiedenen Friedensplänen für die Ukraine vorgeschlagen wurden», erklärt Amherd weiter.
Wir haben es geschafft, der Diplomatie eine Chance zu geben.
Diskussionen oben, Hoffnung unten
Während oben auf dem Bürgenstock diskutiert wird, hofft unten in Luzern eine junge Ukrainerin auf greifbare Resultate der Konferenz. Svitlana Belous ist 34 Jahre alt und die Ehefrau von Anatoli, einem vermissten Soldaten. «Mein Mann ist vor genau einem Jahr und zwei Monaten verschwunden», erzählt Svitlana. «Ich habe unbestätigte Informationen, dass er in Gefangenschaft ist. Aber Russland weigert sich, seine Gefangenschaft zu bestätigen und Verantwortung für sein Leben und seine Gesundheit zu übernehmen.»
Anatoli kämpfte an der Front in der Region Charkiw. Seit April letzten Jahres wird er vermisst. So wie ihr gehe es vielen Angehörigen, sagt Svitlana. Sie hätten keine Informationen über ihre Lieben und keinen Kontakt zu ihnen. Sie wüssten nicht, wo sie seien, wie es ihnen gehe – und ob sie überhaupt noch lebten.
Nach dem ersten Schock beschloss Svitlana, nach ihrem Mann zu suchen. Dafür tat sie sich mit anderen in der Organisation «Save Ukrainian Prisoners of War» zusammen. Es sind Töchter, Frauen, Freundinnen und Schwestern von Kriegsgefangenen oder vermisst gemeldeten Soldaten. Eine Gruppe von ihnen hat sich Mitte Woche mit dem Bus von Kiew auf den Weg in die Schweiz gemacht, um hier auf das Thema aufmerksam zu machen – unter anderem mit einer Aktion vor dem Bahnhof Luzern und später in Genf.
Svitlana richtet klare Worte an die Gipfelteilnehmerinnen und -teilnehmer: «Wir bitten die internationale Gemeinschaft, uns zu helfen, unsere Angehörigen zurückzubringen und Druck auf Russland zu machen, damit es die Genfer Konvention erfüllt und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz die Gefangenen besuchen lässt.»
Diese Männer sind normale Leute, die nichts anderes getan haben, als ihre Heimat zu verteidigen.
Denn die ukrainischen Kriegsgefangenen in Russland seien unter schrecklichen Umständen inhaftiert, so Svitlana. Das bestätigen freigelassene Gefangene.
Das IKRK könnte den Gesundheitszustand und die Bedingungen der Haft überprüfen – und herausfinden, wer überhaupt noch lebt. Svitlana sagt, schon fast beschwörend: «Diese Männer sind normale Leute – Lehrer, Professoren, Sportler – die nichts anderes getan haben, als ihre Heimat zu verteidigen, die überfallen wurde.»
Ich glaube, dass hier, auf dem Gipfel, Geschichte geschrieben wird.
Die 34-jährige Ukrainerin glaubt fest daran, dass der Gipfel auf dem Bürgenstock etwas bewirken kann. Und oben verbreitet auch der Präsident der Ukraine, Wolodimir Selenski, erst einmal Zuversicht, als er sagt: «Ich glaube, dass hier, auf dem Gipfel, Geschichte geschrieben wird.»